Dienstag, 12. Oktober 2010

gewohnt anders

Der Alltag hat nach bereits fünf Wochen Einzug gehalten. Heute Nachmittag sollte ich für die Fundacion hilfsweise zwei Schweizerinnen, die auf der Suche nach unterstützungswerten Projekten sind, übersetzen, was das Projekt Coyera versucht zu realisieren. Auf dem Heimweg erzählte ich ihnen noch ein wenig mehr über Cochabamba und die Fundacion Estrellas en la calle. Dabei viel mir zum einen auf, wie selbstverständlich für mich die Kommunikation auf Spanisch geworden ist, wie relativ einfach mir die auch mittlerweile fällt. Zum anderen wollte ich nach der Arbeit selbstverständlich Obst auf dem Markt kaufen. Supermarkt? Brauch ich nicht! Das kann ich auch alles inmitten von Obstbergen besorgen. Das mich dabei der Anblick von z.B. früher befremdlich anmutenden Fleischbergen, Hühnerfüßen und –Köpfen nicht mehr störte, viel mir erst später auf. Natürlich hielt ich im Anschluss Ausschau nach dem abends stets überfüllten Trufi 110, stieg nach ein wenig Wartezeit, gespickt mit an mir vorbeibrausenden und mich anhupenden Taxis schließlich ein, atmete die gewohnt verpestete Abgasluft ein, sagte dem Fahrer, dass ich jetzt hier am Kreisverkehr aussteigen möchte.

Alles erschien mir daran normal.

Selbst das Geld erscheint mir mittlerweile wie eine Währung, nicht mehr wie Papier, dem ich kein Wert zuschreiben kann. Meine Arbeitsroutine, mein Arbeitstagsablauf erscheint mir gewöhnlich. All den Dingen schenk ich heute kaum noch Gedanken der Extravaganz. Meine Kleidung läuft bald aus, habe ich morgen genug Zeit mich ans Waschbecken zu stellen und sie zu schruppen? Vielleicht halt erst übermorgen.

Zum Glück resultiert diese Sicherheit nicht in Langeweile, denn aufregend bleibt jeder Tag vom Neuen. Ich entdecke noch immer neue Dinge. Nur die bereits oft erlebten Aspekte formen meinen Alltag. So wie ich ihn Berlin stets mit der Ringbahn irgendwo hingefahren bin, steig ich an jeder beliebigen Ecke in ein Trufi, versuche möglichst wenig Münzen auszugeben, Kaufe alles auf dem Markt, springe fast lebensmüder über die Straßen, lass mich von Taxi- sowie Trufifahrern durch Anhupen von Zeit zu Zeit zum Mitfahren überreden, spring gekonnt über den Hundekot im Treppenhaus, genieß die Aussicht meiner Terrassenwohnung beim Waschen, genieße Essen aus Plastiktüten und staune kaum über den Zuckergehalt von Lebensmitteln.

Gewohnheit regiert die Welt.

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