Donnerstag, 16. Dezember 2010

Trimesterbericht 1.0

Da der standartisierte BMZ-Vertrag vorsieht, dass jeder entwicklungspolitische Freiwillige alle drei Monate einen zwischen Bericht abliefert, musste ich mich vor ein paar Wochen auch daran setzen. Ich sollte also meine Vorbereitungs-, Anfangszeit sowie erste Eindrücke/Erfahrungen. Da dieses offizielle Dokument an yap-cfd e.V. sowie die Bundesregierung weitergereicht wird, musste ich es natürlich recht formell belassen. Nichts desto trotz gibt es eine kleine Zusammenfassung wieder.

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Schon lange Zeit vorab hatte ich mich entschieden, nach Ende meiner Erzieherausbildung das Abenteuer im Ausland in Angriff zu nehmen. Durch mehrere Zufälle bekam ich heraus, dass es sogar die Möglichkeit gibt, seinen Zivildienst anstatt in Deutschland, in einem anderen Land zu absolvieren. Welch eine Fügung, dass dies auch im entwicklungspolitischen Sinne funktioniert, wo ich meinen erlernten Beruf auch direkt einsetzen kann. In dieser äußerst kurzen Fassung stieß ich auf das Weltwaerts-Programm und begann Bewerbungen zu schreiben, Auswahlseminare zu besuchen und schließlich den Vertrag von YAP-CFD e.V. zu unterschreiben.

Von hier an ging die Vorbereitung dann erst richtig konkret los. Ich kannte mein Ziel hier in Bolivien, die Fundación Estrellas en la calle. Da die Vertragsunterschreibung für alle entwicklungspolitischen Freiwilligen einige Zeit in Anspruch nahm, überbrückte ich die Zeit bis zum Vorbereitungsseminar mit eigenen kleineren Recherchen, ließ mich aber von der einen Woche weitestgehend überraschen. Hier besprachen wir erneut unsere Motivation, Erwartung sowie Befürchtung, aber auch Gefahren kultureller Unterschiede, die Menschenrechte, wichtige bürokratische Formalitäten und Erfahrungsberichte. Unser eigenes bevorstehende Jahr und seinen Sinn sowie Erfolgschancen betrachteten wir erneut äußerst kritisch. Schön war, dass durch kleinere Spiele (die fast alle in ihren Projekten wieder anwenden können), Gemeinschaftsaktivitäten und freie Zeit für unterschiedlichste Gruppenprozesse und Abwechslung gesorgt wurde. Dadurch formierte sich das Seminar insgesamt zu einer äußerst positiven und hilfreichen Erinnerung. Bemerkenswert bleibt noch, dass wir gemeinschaftlich Überlegt haben, wie wir mit den spontanen Weltwaertskürzungen, die alle Organisationen außer den Deutschen Entwicklungsdienst betreffen sollten, umgehen sollten. Bei manchen stand einfach schon die Abreise in 6 Wochen an. In dieser kurzen Zeitspanne umzuplanen fällt äußerst schwierig, da für Universitäten und Ausbildungen die Bewerbungsfristen schon abgelaufen sind.

Auf dem Vorbereitungsseminar besprach ich zu meiner Freude direkt mit meiner Mentorin, dass wir das Projektseminar kurz vor meinen Abflug legen, da bereits feststeht, was ich alles vorher besorgen muss. Zudem war ich dann auch schon mit meinen Abschlussprüfungen durch und konnte alle Eindrücke, die mir reichlich verabreicht wurden, wesentlich besser aufnehmen. Auch konnte ich dann durch den persönlichen Kontakt alle bis dahin entstandenen Fragen klären. Das Team von YAP-CFD e.V. kümmert sich damals wie heute äußerst vielseitig und umsichtig um meinen Aufenthalt und bietet mir zu jeder Zeit ein offenes Ohr.

Durch die Vorbereitung in Deutschland viel es mir recht leicht in meinem Projekt anzukommen, dabei half natürlich auch die Einführungswoche meiner Arbeitsstelle. Uns wurde unsere generelle Position, Sinnhaftigkeit und Möglichkeiten sowie alle einzelnen Projekte vorgestellt. Anschließend ging die Arbeit sofort los. Da ich am Vormittag im Präventionsbereich und am Nachmittag auf der Straße arbeite, gestaltete sich der Start natürlich unterschiedlich. Die erste Hälfte vom Tag erlebte ich zunächst holperig, da Aufgaben sowie Anleitung im Tagesgeschehen fehlten. Schnell wurde mir bewusst, dass meine Chance darin liegt, meine eigenen Vorschläge und Ideen umzusetzen und dadurch Erfahrungen zu sammeln. Nach dem Mittagessen konfrontierten mich dann eher kleinere Kulturschocke bezüglich Umgangsweisen innerhalb den Straßenkindergruppen und der blanken Armut. Dies konnte das Team aber sehr gut auffangen sowie auch sprachliche Schwierigkeiten. In den Aktivitäten merkte ich, dass ich meine eigene Schüchternheit überwinden muss, um das anfängliche Interesse der Kinder nicht einfach versiegen zu lassen. Nachmittags im Projekt Coyera klappte dies recht gut, da ich beim Fußballspiel und Gesprächen mit eingebunden wurde. Mittlerweile soll ich mit einem anderen Freiwilligen, selbst Straßensozialarbeiter mit langjähriger Erfahrung, einmal wöchentlich die Aktivitäten für eine Gruppe planen und umsetzen. Bei Bedarf können wir uns jederzeit Hilfe aus dem Team holen. Damit dies hier nicht falsch verstanden wird: Wir besuchen die Gruppen nie ohne das Team! Nichts desto trotz wurde uns beiden Verantwortung übertragen, die wir sehr gerne auf uns nehmen. Darüber hinaus werde ich gerade in der Einzefallbetreuung eines jungen Mannes, der nach etlichen Jahren die Straße erfolgreich verlassen hat, stark mit eingebunden. Resümierend möchte ich zu dem Projekt Coyera sagen, dass ich von Anfang an herzlich aufgenommen wurde und schrittweise an Aufgaben und Verantwortlichkeiten herangetragen wurde, wofür ich sehr dankbar bin.
Meine Vormittage im Inti Kánchay haben sich seid dem Anfang sehr stark verbessert. Nach ihrem Mutterschaftsurlaub kehrte die alte Chefin und Theaterpädagogin zurück. Mit ihr zusammen soll ich den Arbeitsbereich des Erziehers übernehmen. Soziale Arbeit und psychologische Betreuung übernehmen werden von zwei anderen Fachkräften betreut. Durch diese Zusammenarbeit übertrug mensch mir endlich Aufgaben und Verantwortungen. Wir fingen direkt an, ein Theaterstück mit den Kindern zu üben, welches Tanz, Spiel und Gesang einschließt. Weitere Aktivitäten planen wir gerade, die dann nach der Aufführung umgesetzt werden sollen.

Doch führe ich neben meinem professionellen Leben auch noch ein privates, von dem ich nur positives berichten kann. Schnell freundete ich mich mit einigen Arbeitskollegen an, die mir gerne ihr Land und Kulturen zeigten. Von diesem äußerst erfreulichen Start wuchs mein soziales Netzwerk stetig an, so dass ich mich gut von der Arbeit erholen kann. Capoeira- sowie Charango-Unterricht versüßen natürlich umso mehr die freien Stunden. Ich denke, dass ich durch diese gute Anbindung an das Leben hier, Deutschland eher wenig und nur in bestimmten Momenten vermisse. Feten, gemeinsames Kochen, Ausflüge und Reisen versüßen mir meine Zeit schon extrem.

Spannend bleibt, wie sich der schnell eingestellte Alltag weiterentwickeln wird, sowie auch meine Arbeit, welche neuen Erfahrungen ich sammeln werde und welche Überraschungen das Leben noch für mich bereit hält.

Sonntag, 12. Dezember 2010

Reisen

Durch die noch übrig gebliebenen Überstunden von dem Wochenende, an dem wir eine kirmess veranstaltet haben, um Geld für das Restaurantprojekt Kartoffel zu sammeln. Sprich: Wir haben verschiedene bolivianische Gerichte und refrescos angboten. Ein Tag Vorbereitung, am anderen fand das Spektakel dann statt. Dadurch bekam jeder von uns 2 Tage an Überstunden gutgeschrieben, die bis Ende November genommen werden musste. Da ich ja auch immer am Samstagvormittag meine Schicht im Inti K’anchay schiebe, ging ein halber Tag für die tolle Reise nach La Paz drauf.


Dort kamen wir bei Freunden (andere Freiwillige aus ihrer Organisation) von Ronja und Mia unter, genauer gesagt in EL Alto, der höchstgelegenen Stadt der Welt. Durch die Nähe zum Himmel fallen die Temperaturen natürlich extrem stark ab. Ein Grund mehr beim Konzert meines Charango-Lehrers Fernando und der Band Atajo ordentlich zu Tanzen. Natürlich haben wir uns auch ein wenig im Touristengebiet rumgetrieben. Doch zum Glück nur, bis wir uns mit Fernando, der hier aufgewachsen ist, trafen und leckeren Fisch aus dem Titicacasee aßen. Nach einem kurzem Absteche bei seiner Familie, trennten sich unsere Wege, da er sich aufs Konzert vorbereiten musste.


In der Zeit fanden ein vegetarisches Restaurant, in dem mensch oder doch lieber direkt Mönch uns zu einer Festlichkeit zur Säuberung eines Steines von einem heiligen indischen Berg. Somit saß ich mit den beiden Mädels mitten in eine Feier Hare Krischnars. Was für ein Erlebnis! El Alto schauten wir uns am nächsten Tag an oder was wir davon überhaupt sehen konnten. Wir gingen schließlich auf den Sonntagsmarkt, der ein ganzes Stadtviertel einnimmt. Um die Dimension noch ein wenig anders zu beschreiben: Wie gewöhnlich gibt es bestimmte Bereiche für bestimmte Produkte, doch irrten wir ganze Häuserblöcke durch das Möbelareal und trafen auf Straßen, wo nur Kommoden oder ausschließlich Tische oder Betten angeboten wurden. Riesig. Natürlich verirrten wir uns in dem Gewusel mehrmals. Leider gab uns die lokale Bevölkerung durch eigene Verwirrung oder Unkenntnis z.T. äußerst falsche Richtungsangaben.



Übrig blieben also noch 1 ½ Tage. Diese wollte ich mit Mia in einem Dorf in der Nähe Cochabambas verbringen. Ich fragte also in meinem Freundeskreis rum, welche Orte zu empfehlen sind. Schlussendlich vertraute ich Christoph, der schon immer nach Mizque reisen wollte, es aber nie schaffen sollte. Für alle anderen vorgeschlagenen Siedlungen wünsche ich mir mehr Zeit. Ich besorgte uns also Bustickets, die uns in der Nacht ankommen ließen.


Da solch ein provinzielles Dorf fast nur am Dorfplatz Straßenlaternen in Betrieb hält, folgten wir den Wegbeschreibungen der Bevölkerung in dunkle Straßen. Nach meinen beiden Erlebnissen und etlichen Erzählung war ich im Gegensatz zu Mia recht misstrauisch unterwegs. Die liebe Cholita saß schlafend vor ihrem Hostal und ließ und recht laut rufen, bis sie aufwachte. Am Morgen klopfte sie dann um 8 Uhr an der Tür, um abzukassieren. Vom Dorfplatz aus und einigen Informationen aus dem lokalen Museum über archäologische Fundstätten liefen wir los in die Pampa, durchquerten einen Fluss und bestaunten, wie tief die Taxis dabei ins Wasser einsanken.


Je weiter wir von dem ärmlich erscheinenden Dorf entfernten, umso einfacher und existenzieller wurden die Lebensverhältnisse. Auf dem Beet/Acker vor der Tür tummelten sich Huhn, Schaf, Kuh, Schwein und Hund, wobei im mittelalterlicher Art und Weise Rinder den Holzpflug durch die vertrocknete Erde schabten. Mizque selbst liegt in einem Tal, umrundet von vielen aber oft recht kahlen Bergen. Durch die sengende Hitze, beständige Waldbrände und grundsätzlich typische Flora und Fauna spazierten wir eine ganzen Tag lang durch pralle Sonne. Da entschieden wir uns schnell für den Weg auf den alten Schienen, anstatt weiter den Berg hinauf zu steigen. Zumal lächelte uns ein wenig mehr Abenteuer entgegen. Wer große Touristenattraktionen erwartet, dem kann ich dieses kleine bezaubernde Örtchen nicht empfehlen. Doch an Natur kann sich hier satt erlebt werden. Z.B. begrünten die braun-orange und aufgeplatzte Erde Kackten, Bäume, deren kleine Blätter wie eine grüne Lampe strahlten. Leider trat ich auch in Dornen, die sich so fies in meine Sohle gepiekt haben, dass ich sie mit meiner Zange rausziehen musste.


Irgendwann entdeckten wir dann eine gigantische Hängebrücke, die wir uns unbedingt anschauen mussten. Ich denke, dass sie errichtet wurde, damit die Menschen auch noch in der Regenzeit den Fluss überqueren können. Zurück im Dorf genossen wir direkt refrescos und fanden heraus, dass der Markt noch offen hat. Dies zogen wir doch glatt einem schnöseligen, uns direkt empfohlenen Restaurant vor. Lustig fand ich, dass ich mir immer überlege, was ich zu Kartoffeln, Reis oder Nudeln dazu kochen möchte. Auf unserem Teller fanden wir alles drei reichlich und ein Stück Fleisch mit leckerer Soße vor. Diese Köstlichkeit kostete uns gerade mal umgerechnet 1€. Wann immer ich Zeit fand, übte ich zur Freude Mias Charango. Nachts ging es dann mit dem Bus zurück. Das verrückte dabei ist, jederzeit Zugestiegen werden kann, weswegen der Bus schnell überfüllt war und einige Menschen die fünf Stunden rüttelfahrt schlafend auf dem Gang verbrachten.