Mittwoch, 10. August 2011

Müde

Was passiert hier? Die Batterien sind langsam leer, das Sicherheitssystem alarmiert mich, dass nicht mehr viel übrig bleibt und rasch aufgeladen werden müsste. Doch wo finde ich das passende Ladegerät? Die Läden stellen sich auch vor die Frage und können mir nur spärlich weiterhelfen. Doch so wirklich richtig lange kann ich nicht mehr warten, denn die Systemabstürze oder -Blockaden häufen sich. Nur weis ich nicht, wo die Lösung liegt, was ich am besten tät. Somit hoffe ich dann doch einfach nur auf die Zeit, schließlich wird von ihr oft behautet, dass sie durch ihr automatisches Verstreichen die Dinge regelt, und setze einfach auf den nächsten Tag.

Der Gedanke an die Zukunft bereitet mir eh Schmerz und Verwirrung. Ich muss Entscheidungen nun rasch treffen, um am Ende nicht den roten Faden zu verlieren. Doch von dem was ich schlussendlich festlege, habe ich aber trotzdem keine Ahnung. Ich versteh es einfach nicht und komm auch nicht recht um die richtige Ecke, um mir davon ein Bild zu verschaffen. Es ist wie im Dunkeln tapern und schlichtweg auf Zurufe und Erinnerungen vertrauen. Nicht einmal meine Füße erspüren den Untergrund. Verständlicherweise fällt da jeder Schritt nach vorne schwer und bereitet Ängste, doch wie immer: die Zeit hält ihren Lauf deswegen nicht auf, es geht stets weiter! Abschnitte werden definiert, groß bejubelt, doch heimlich entrinnt da stets eine kleine Träne dem ach so starkem Auge und ich mitten mang all dem Trubel. Meine Gedanken rotieren, springen immer wieder zurück. Die Scheibe hat anscheinend einen Sprung, doch der CD-Spieler kann nicht ausgeschaltet werden. Damit ginge alles zu Ende und wäre verloren. Sie dreht sich weiter wie der Lauf der Zeit. Der Dreck sammelt sich immer weiter an und lässt sie weiter und schlimmer haken. Die Zeit zur Reparatur fehlt. Geld spielt hier ausnahmsweise keine Rolle. Die letzten Bemühungen müssen schlichtweg hinter mich gebracht werden. Ich hätte nicht gedacht, dass es so anstrengend und so schwer wird. Vielleicht gefiel mir wirklich schon immer die Hau-Ruck-Variante: kurz und schmerzlos, obwohl letzteres eine nett belächelte Lüge ist. Wer nicht alles vergisst und hinter sich lässt, trägt einen Schmerz mit sich rum und muss ihn schließlich verarbeiten. Doch in vielen Traditionen und Religionen ist das Ende nicht zwingend etwas Schlimmes. Schließlich wird es oft gepriesen und gefeiert. Manchmal soll es nicht einmal das Ende sein, nein gedanklich geht es weiter, irdisch oder spährisch. So möchte ich das auch für mich behalten: es geht weiter! Wie, weis ich lediglich nicht. Erscheint mir auch noch überflüssig, denn zunächst gilt es die aller nächste Zukunft zu überstehen. Da erscheint mir der Aufstieg in den Himmel schon fast wie ein Befreiungsschlag, denn viele Stunden in endloser Weite müssen durchschlafen werden, um in der anderen Welt wie im Märchen aufzuwachen. Doch bis jetzt trug jede Revolution sein zweischneidiges Schwert mit sich daher. Schnitte und Schmerz müssen dann kuriert werden. Auf geht es in die letzten Runden, bevor die Scheibe vorübergehend zur Reparatur angehalten werden kann.

Montag, 1. August 2011

Landei

Diese Ruhe, Stille und Langsamkeit hat mich damals immer verschreckt, sogar fern gehalten. Ich mochte es nie. Mir passierte einfach zu wenig, alles bewegte sich schleichend und wurde durch nichts gestört. Vielleicht durch die Menschen selbst, die ihren Mund nicht halten können und wenig Respekt für den Rest übrig haben. Mitterlweile fahre ich dort sehr gerne, genieße es sogar und überrede meine Freunde dazu mich zu begleiten. Vielleicht liegt es noch an einem kulturellen Unterschied, dass es mir jetzt gefällt. Doch diese ursprüngliche Atmosphäre spricht mich sehr an. Für immer möchte ich dennoch nicht bleiben. Kurzbesuche reichen da vollkommen aus, sind Balsam genug.

Oft habe ich mich schon gefragt, warum die Menschen hier so viel gelassener sind? Warum sie sich weniger lautstark entrüsten, mit ihren Autohupen zum Beispiel? Woher kommt dieser für mich doch merkliche Unterschied?

Neulich fuhr ich mit Mia in den Urlaub. In dem Dorf Samaipata heuerten wir einen Wanderführer an, der uns zwei Tage lang durch den Nationalpark Amboró führen sollte. Ich war hin und weg; unglaublich mit welcher Ruhe und Gelassenheit er die Dinge erledigte. Auch wenn ich mir dabei zunächst unwohl vorkam, deckte er uns stets den Essenstisch. Dazu rollte er auf dem Boden einfach ein kleines Deckchen aus und verzierte es mit Brot, Käse, Wurst und Gemüse. Doch alles Stück für Stück. Ohne jegliche Hektik oder Druck. Die Messer zog er aus einem kleinen Tuch, schaute sich den Wald an, wischte sie am gleichen Stoffstück ab, kniete sich hin, schaute sich den Tisch an und platzierte erst jetzt das Geschirr. Dazu nahm er sich alle Zeit der Welt. Natürlich gab es keinen Zeitdruck. Hier im Nebelwald zwischen dem Riesenfarn spielt Zeit keine Rolle. Einzig und allein die Sonne setzt die Segel unseres Tages. Doch mir ist diese Langsamkeit nicht eigen. Mit schnellen Bewegungen beschmierte ich mir mein Brot und aß es zügig auf. War es überhaupt so schnell oder kam es mir nur so vor, weil ich bereits zwei verdrückt habe und er gerade einmal den ersten Bissen gesetzt hat? Ich weiß es nicht! Schnell beschmutzte ich auch unseren fremd wirkenden gelblich weisen Ort mit einer unvorsichtigen Fußbewegung. Ihm passierte dies nicht einmal im Ansatz -Mia auch nicht. Ich war schlichtweg begeistert, wie er sich bewegte, die Natur wahrnahm und alles erledigte. Stets strahlte er diese natürliche Ruhe aus.

Später erzählte er uns, dass er schon seid 22 Jahren in Samaipata lebt und bereits 10 Jahre lang Gäste durch dieses wunderschöne Stückchen Erde führt. In Cochabamba geht er auf der cancha nur Essen und einige Dinge einkaufen. Die Stadt selbst hat er noch nie in seinem 33 jährigen Leben kennengelernt, will er auch nicht.

Mia wuchs auf einem kleinen dt. Dorf groß. Meine in Berlin nächstgelegenen Freunde lägen schon außerhalb ihres Dorfes. Auch sie strahlt Ruhe und Gelassenheit aus. Während ich durch die Welt hüpfe und sprinte, sucht sie zum Teil Frieden im Stillen, begleitet durch Essen, Musik und Literatur.

Vielleicht wirkt es vorlaut und kann begründet abgewiesen werden, doch frage ich mich, welchen Einfluss Stadt bzw. Dorf auf den Menschen hat? Ich bin immer stets glücklich in diesem großen Getümmel. Am besten mit ein bisschen Dreck, Lärm und Hektik, so gefällt es mir und bestärk mein Wohlempfinden. Gleichzeitig lebe ich auch so: schnell, hektisch, immer etwas los, wenige Pausen, die Musik voll aufgedreht, mein doppelter Espresso geht in Blitzeseile unter. Naturheilmittel kenne ich vom Land. Die Stadt bietet da lediglich eine 24 Stunden lang geöffnete Apotheke, die sogar bis an die Autotür serviert, so wie Fast-Food-Ketten.

In Samaipata endet die Mittagspause eigentlich um 14 Uhr, jedoch bei Nachfrage erklärten sie uns, dass die Geschäfte frühestens um 16-17 Uhr erneut öffneten, schließlich müssen alle ja noch aufessen und sich ausruhen. Das Abendbrot lässt dann aber auch nicht mehr lange auf sich warten. Genau so habe ich schon viele Dorfmenschen kennengelernt: Wozu die Eile, ich bin auch so glücklich. Unser Waldführer demonstrierte mir dies in zwei sehr speziellen Tagen.

Dienstag, 26. Juli 2011

Geburtstag


Meinen Jahrestag hatte ich mir oft neu vorgestellt. Große Feier? Ganz ruhig und im Stillen mit den engsten Freunden? Alleine durch die Stadt spazieren? Verreisen? Im bolivianischen Stil eine Woche lang durchsaufen? Alles hörte sich immer wieder toll an und begeisterte mich für sich. Am Ende stellte sich heraus, dass uns Feten in unserem Heim nicht mehr gestattet sind, da Johannes Geburtstagsfeier für die Nachbarn aus dem Ruder gelaufen sind. Es sollen Flaschen, Teller und Gläser von der Terrasse geschmissen worden sein. Als Konsequenz dürfen wir keine Festlichkeiten mehr abhalten, sonst ziehen wir aus und die neuen Freiwilligen dürfen dort auch nicht mehr wohnen. Mit eingezogenem Schwanz dachte ich also um -keine Feier mit viel Chicha vom Land, schade. Recht spontan plante ich mit Mia für die voranlaufende Woche eine fünftägige Reise Richtung Santa Cruz und dem Nationalpark Amboró. Viel Zeit für Vorbereitungen gab es also auch nicht. Die Woche davor feierte eine gute Freundin von mir ihren Geburtstag mit einem großen Abendbrot bei sich zu Hause. Dazu wurde ein Schwein aus der eigenen Zucht (Verkaufswert von min. 300US$) geschlachtet und köstlich zubereitet. In Bolivien wird das Ausmaß eines Gerichts mit seinem passenden Trank als Zeichen für cariño (Liebe, Zuneigung) verstanden. Geiz ist hier also nicht willkommen. Wer seine Freunde einlädt -oder welche Gäste auch immer-, der spart nicht. Das geht gegen jegliche Gastfreundschaft und kann auch so verstanden werden, dass mensch nicht willkommen oder gemocht sei. Schon seid Beginn meiner Zeit hier, wurde mir immer wieder von vielen Stellen gesagt, dass ich ein Händchen für die Küche habe, auch wenn ich sie in einem zerstörerischen Chaos verlasse. Somit besprach ich in meiner Reise mit Mia, welches Gericht ich zubereiten werde. Sie musste nicht lange überlegen: Lasagne! Doch diesmal sollte es eine vegetarische werden, schließlich weis ich nicht einmal, wo ich hier gutes und hygienisch sauberes Fleisch kaufen kann. Zudem können somit alle essen. Mit vielen großen Geldscheinen tauschte ich alles auf dem Markt ein und füllte meinen Beutel, bis er schwer wurde und mit Lebensmitteln überlief. Später kam noch ein bisschen Wein dazu. Nach unserem letzten Mal Capoeira mit Matteo sprintete ich zu Mia nach Hause, da dort alles stattfinden sollte. Bei mir zu Hause wäre es den meisten nachts zu kalt. Kilos von allmöglichen Lebensmitteln wurden von fleißigen Helfern geschnippelt und von mir zu zwei monströsen Soßen zusammengefügt. Wird es aber auch für alle reichen, Bolivianer essen schließlich viel und gerne? Damit sie auf jeden Fall satt wurden, kamen noch einige Kartoffeln in die Soße dazu. Die wird schon stopfen. Mit Salatblättern wurden die Teller ausgeschmückt. Den Nachtisch stellten zwei von Freunden mitgebrachte Kuchen und ein selbstgebackener dar. Mit Wein und ein bisschen Chicha, die ich allen einschenkte, ging alles gut den Rachen runter. Ein wirklich toller Abend. Am Ende wesentlich ruhiger als eine Fete, doch ebenso toll. Alle bedankten sich für die gute Mahlzeit und den tollen Abend. Nur leider musste ich meine eigene Schlacht in der Küche beseitigen. Am nächsten Morgen aßen wir zu meiner Ehren salteñas in Inti K’anchay und ich hörte nun bereits zum fünften Mal mein Geburtstagslied.

Samstag, 16. Juli 2011

Gutherzigkeit

Wo wollen wir hin, was wollen wir eigentlich erreichen? Wozu der ganze Spaß, die Anstrengung und Aufregung? Von diesen Antworten hängt sehr viel ab. Auf institutionellem Niveau bedeutet dies viel Verantwortung und Verantwortung. Denn es müssen Schritte, Zwischenziele, Methoden und Strategien entwickelt werden, um am Ende alles zu erreichen, was sich vorgenommen wurde. Doch was erreichen wir, wenn wir den Straßenkindern Kleidung, Essen, Medizin geben? Wobei hilft ihnen das? Es wird viel Geld aus Europa und Nordamerika mobilisiert und darin investiert, dass es ihnen für den Moment gut geht. Weiter nichts! Gutherzigkeit ist gut gemeint und immer notwendig, wenn wir mit den Straßenkindern arbeiten. Schließlich haben sie in ihrem Leben schon genug gelitten, dass muss nicht noch ausgebaut werden. Die Realität sieht jedoch so aus, dass sie sich in ihrem Lebensumfeld so weit es geht so einrichten, dass es ihnen halbwegs gut geht. Wenn dann NGOs antanzen und all ihre Nöte und Wünsche abdecken, gewöhnen sie sich daran so gut, dass sie sich praktisch einen Wochenplan erstellen, wann sie wo was bekommen oder abstauben können. Natürlich reicht die ihnen angebotene vermeintliche Hilfe nicht komplett aus. Sie müssen am Ende immer noch arbeiten und leiden tagtäglich weiterhin, doch Veränderungen werden nicht generiert. Deswegen muss die Frage, was erreicht werden soll immer mitschwingen. Schließlich haben wir uns diese Verantwortung z.T. übertragen. Mit reinen Geschenken und Dienstleistungen werden sie die Straße jedoch nicht verlassen. Sie bleiben dort, weil sie alles nötige haben oder beschaffen können und somit die Notwendigkeit einer Veränderung des Lebensstil unwichtig wird. Laut etlicher nationaler und internationaler Studien arbeiten ca. 120 Organisationen mit den Straßenkindern Cochabambas, doch nur ca. 2 arbeiten wirklich daran, Veränderungen zu generieren. Zum Glück zählt die Fundacion Estrellas En La Calle mit dazu. Der Rest besucht die Gruppen, schießt Fotos, um mehr Geld aus dem Ausland zu beschaffen und/oder realisiert Aktivitäten, die dazu dienen, dass die Straßenkinder eine angenehme Zeit auf der Straße verbringen, doch immer mit dem Ziel oder Auswirkung, dass sie genau dort bleiben.


Natürlich benötigen sie medizinische Versorgung, um überhaupt die Ressourcen zur Veränderung aufbringen können. Die schließt aus Kleidung und Nahrungsmittel ein. Doch bemüht sich die Fundación immer, dies mit einer Motivationsarbeit zu verbinden. Dies will sagen, dass z.B. Essen nur angeboten wird, wenn bei den Aktivitäten partizipiert wird. In diesen versuchen wir, sie dazu anzuregen, dass sie über ihr eigenes Leben ernsthaft reflektieren, gewisse Dinge erlernen, die sie in einem anderen Leben(sstil) benötigen. Kleidung wird oft als Belohnung verwendet. Wer die Straße verlassen hat, kann sich komplett einkleiden z.B. Ärztebesuche sind da schon ein wenig schwieriger, doch zumindest kann die gemeinsame Zeit zu einem motivierendem Gespräch genutzt werden. Gleichzeitig verlangen wir oft, sofern es möglich ist, dass sie uns an einem bestimmten Punkt in der Stadt treffen, um zu sehen, wie sehr sie motiviert sind, die Verantwortung für ihr eigenes Leben anzunehmen. Beantragen wir mit ihnen ihren Personalausweis, dann wird das in diesem Prozess immer mit einem neuen Lebensplan verbunden. Wozu wird der Ausweis gebraucht? Z.B. um eine bessere Arbeit zu finden, Schulen oder Ausbildungen zu besuchen oder eine Wohnung zu mieten. Die Idee ist es, dass wir ihnen nichts schenken. Auch wenn sie uns den Gegenwert nicht zurückgeben können, müssen zumindest Anstrengungen ihrerseits und Zukunftspläne erkennbar werden. Dies wirkt oft kaltherzig und hart. Doch somit stellen wir sicher, dass sie uns nicht einfach nur ausnutzen und können in einzelnen Fällen Veränderungen bewirken oder vorbeugen, dass sich ihre Lebenssituation allzu sehr verschlechter.

Natürlich ist dieser Weg für sie wesentlich schwieriger als einfach nur Dienstleistungen anderer Organisationen anzunehmen, doch ich denke, dass die Resultate verdeutlichen, welcher Weg eingeschlagen werden sollte. Immer wieder bemerken wir jedoch die Auswirkungen der Arbeit anderer NGOs, die die Straßenkinder dort belassen, wo sie leben. Sie beschimpfen uns manchmal, warum wir ihnen nicht auch all die Dinge wie die anderen schenken, warum wir nur kommen, um sie zu belästigen, warum wir nicht einfach Aktivitäten durchführen können, ihnen dabei Essen und Kleidung geben und fertig, wozu dabei noch der restliche Mist? Um eben am Ende für eine bessere und nachhaltige Lebenssituation der Straßenkinder zu sorgen. Dies sollte unser aller Ziel sein und daraufhin müssen unsere Interventionen sowie Strategien ausgerichtet werden!

Montag, 4. Juli 2011

puede pasar de todo

Schon zu Jahresbeginn hatte ich mit David eine Exkursion in die Natur, die nahegelegenen Berge Cochabambas geplant. Es sollte eigentlich nach Parque Tunari gehen, da ich dort selber schon einmal mit Freunden hochgestiegen bin und dieses Wochenende nur schwer vergessen kann. Es sollte der Abschluss einer Serie von Aktivitäten zum Naturschutz werden, die wir in Inti K’anchay durchführten. In den verschiedenen Aktivitäten besprachen wir die Verschmutzung, Schutz und Wiederverwertung von Wasser, (Plastik)Müll, Erde und Luft. All diese Aspekte wollten wir innerhalb eines Zweitagesausfluges spezifizieren. In einer Teamsitzung informierte uns jedoch Carlos, dass Parque Tunari momentan voll von Drogenschmuggel und Dieben sei. Um der Gefahr aus dem Weg zu gehen, planten wir um und zielten nun Inka Rakay an. Auf diesem Berg befinden sich Inkaruinen, die jährlich am 21.Juni zum Sonnenaufgang besucht werden, um Neujahr der Aymara-Kultur zu feiern.

So wie ich die geliebten Jugendlichen kenne, werden sie sich trotz der tollen Exkursion beschweren, egal worüber. Deswegen beharrte ich darauf, dass wir die ganze Aktion mit ihnen zusammen planen und auch nur die mitnehmen, die auch wirklich wollen. Zudem können wir sie somit auch für den Ausflug verantwortlichen und ihnen just diese in einem abgesteckten Rahmen beibringen.

Wer mitkommen wollte, -während den Wochen zuvor sprachen wir schon mehrmals unsere Idee an- musste an der einzigen Versammlung teilnehmen. Hier präsentierten wir ihnen die Idee und besprachen gemeinsam mit ihnen, was bedacht und geplant werden musste. Sie taten sich äußerst schwer mit ihrer ungewohnten und hier z.T. ungewöhnlichen Verantwortung. Immer wieder erstaunten sie, wenn ich ihnen eröffnete, dass ich ihnen nicht alles vorkauen und erledigen werde. Vor allem das Essen musste geplant werden, aus praktischer als auch finanzieller Sicht. Denn das Projekt stellte uns aus finanziellen Schwierigkeiten nur eine klitzekleine Summe zur Verfügung. Das gewünschte Hühnchen, welches gegrillt werden sollte (für 14 Personen sollten es mindestens vier Kilogramm sein) steckte bei insgesamt 120Bs nur schwer drin, zumal 40Bs ja schon für Transportkosten draufgehen sollte. Somit kamen wir zu dem Schluss, dass jeder 5Bs dazugeben muss. Doch wie bereiten wir das Huhn vor Ort zu, wo es nur das gibt, was wir auch wirklich mitnehmen. Gleiches mit Reis. Hier konnte gut beobachtet werden, dass ihnen die Vorstellung für die Bedingungen vor Ort fehlten, weswegen sich die ganze Veranstaltung in die Länge zog. Doch am Ende war alles in Sack und Tüten. Kurzerhand teilte uns das Direktorium mit, dass wir nur mit den Mädels gehen könnten, wenn auch eine Betreuerin mitkäme. Somit wurde leider eine neue Kollegin der Fundación förmlich zu ihrem Glück gezwungen.

Am Samstagmorgen trafen wir uns in der Früh und fuhren nach kurzer Erklärung der grundsätzlichsten Regeln los: Alles läuft nach der Autorisierung des Teams, Sex, Drogen und Zigaretten sind verboten, Kameradschaft und Respekt sind gefordert. In Suticollo angekommen stiegen wir aus und teilten alle vom Präsidenten der Jugendlichen gekauften Lebensmittel unter allen auf und traten unseren 3 ½ h Marsch an. Stück für Stück stiegen wir hinauf, kamen zunächst an dem Dorf Sipesipe vorbei. Die 15km schlauchten viele sehr. Doch selbst die jüngsten (13 Jahre) schafften es. Sie lebten schließlich ein Abenteuer. Durch die Lebenssituation der Eltern bekommen sie eher nie die Gelegenheit, an solche Orte zu gelangen. Unterwegs bestaunten sie die Aussicht, aber gleichzeitig auch die Luftverschmutzung, die hier deutlich als braune Kappe über Cochabamba und Umland zu sehen ist.

Immer wieder fragten mich die Jugendlichen, wann wir denn nun unseren taller haben werden. Doch ich erklärte ihnen, dass nichts dergleichen geplant sei. Schließlich sind wir bereits mitten in der Natur, wozu also da noch groß eine Gesprächsrunde vorbereiten, wenn ich mich mit ihnen auch passend zu den einzelnen Situationen unterhalten kann. So weckte ich die Aufmerksamkeit eines Mädchens auf den Sonnenuntergang und wie dieser langsam in der Stadt als dunkler Schatten voranschreitet. Schlussendlich sahen wir dann auch die Luftverschmutzung durch all die Straßenlichter, die die Dunstwolke gelblich ausleuchtet. Ebenso fanden wir Plastikmüll auf dem Weg und besprachen schnell die Auswirkungen und Verantwortung der Menschen durch Nutzung von Plastik.

Nach einer kurzen Pause mit einem Happen Brot teilten wir uns auch schon wieder in drei Gruppen auf, zwei davon suchten Feuerholz und die letzte baute Zelte und Lager auf. Cochabamba wird zwar als Kornfeld Boliviens bezeichnet, jedoch sprüht nur das Tal vor Feuchtigkeit, die Berge sind recht trocken, vor allem Monate nach der Regenzeit. Dementsprechend konnten wir unter dem Krüppelgewächs nur kleinste Zweige finden. Zumal war ich mir sicher, dass bereits alles durchforstet wurde, um es am folgenden Montag an all die Ausflügler zu verkaufen, die zum indigenen Neujahr der Áymarakultur hier z.T. heraufsteigen werden.

Manchmal liebe ich das Wirtschaftssystem Boliviens: Es wird immer an verschiedensten Orten das passende verkauft. Die Armut ließ die Menschen erfinderisch werden und überlegen, was wo gut angebracht werden kann.

Während David und Carlos mit dem mitgebrachten Grill fürs Hühnchen (es ist ein verhältnismäßig günstiger Luxus und wurde deswegen explizit von den Jugendlichen gewünscht) und der Zubereitung des Reis´ und der Kartoffeln beschäftigt waren, schnappte ich mir die kleinsten unter den Jugendlichen und lud sie zu einem weiteren Abenteuer ein. Auf der richtigen Spitze des Berges thronten so einige große Felsen, die wir jetzt heraufkletterten. Welch ein Spaß. Meine Kamera sollte, von ihnen eingefordert, diesen Moment verewigen. Wir fanden sogar eine Höhle, wo sie ohne meine Vorhut nicht hineingehen wollten. Ich zog Stück für Stück ihre letzten Energien heraus, schließlich sollten sie früh schlafen gehen, damit sie nicht zu sehr die nächtliche Kälte spüren und am nächsten Morgen mit dem Sonnenaufgang aufstehen. Die ersten Sonnenstrahlen erwarteten wir gegen 5 Uhr.

Nach Sonnenuntergang versammelten wir uns alle um das Lagefeuer herum und aßen in lustiger Gemeinschaft diese recht simple aber leckere Mahl, leider wären einige durch die Dunkelheit so sehr verängstigt, dass sie sich schnell erschraken und nicht ohne Begleitung und mehreren Taschenlampen das Licht verlassen wollten. Der Hunger treibt es rein, heißt es immer so schön. Normalerweise beschweren sie sich oder täuschen sogar Allergien oder Brechreize vor, wenn ihnen der Salat zu grob geschnitten ist, vor allem bei Zwiebeln. Doch hier oben forderten alle mehr Salat zu ihrem Reis, obwohl wir Zwiebeln und Tomaten einfach nur in große Scheiben geschnitten haben.

In der Vorbereitung haben wir extra gesagt: „puede pasar de todo“ (alles kann geschehen). Denn schließlich wollten wir in ein Abenteuer aufbrechen, gleichzeitig sorgt soetwas für mehr Spannung und Motivation. Am Ende behielten wir jedoch Recht, denn während die Jugendlichen überall Brennholz suchten, fanden sie etliche weiße, mit Gras bedeckte Kanister, die Benzin enthielten. Zum Glück sagten sie den Betreuern bescheid. Direkt schauten wir uns die Fundstelle an und fanden ca. 10 Kanister, von denen 8 mit Benzin gefüllt waren. Zusätzlich fanden wir einen Sack mit bereits gebrauchtem Kalk. Carlos war sofort klar, wofür das alles genutzt wird: Kokainherstellung. Da aber in zwei Tagen año nuevo Áymara (Neujahr der Áymarakultur) bevorstand, erklärten wird den Jugendlichen zunächst, dass das Benzin vielleicht schon hierhergebracht wurde, um später alle Lagerfeuer zu entzünden. Währenddessen rief eine Mitarbeiterin (die mehr oder weniger gezwungen wurde mitzukommen, da kein homogenes Team aus Männern mit weiblichen und männlichen Jugendlichen auf Exkursion gehen darf) ihren Bruder bei der Polizei, die für Drogenschmuggel spezialisiert ist an. Dadurch kam dann ein Anruf vom Coronel an, der uns versicherte zwei Zivilbeamte zur Inspektion vorbeizuschicken. Während des Abendbrotes tauchten schließlich zwei Beamten in Armeekleidung aus der Dunkelheit auf und baten uns sie zu der Fundstelle zu führen. Im Schlepptau bahnten sich weitere Soldaten ihren Weg durchs Gebüsch. Diese suchten umgehend nach Kokainfabriken, die sie 200m weiter entfernt fanden und mit dem gefundenen Benzin großzügig verbrannten. Dahin war´s mit unserem Ausflug zum Umweltschutz. Die gigantische Rauchwolke konnte selbst bei Dunkelheit nicht übersehen werden. Das restliche Benzin nahmen sie mit. Zudem fragten sie uns, ob die örtliche Dienststelle jemals bei uns angekommen sei, da sie die auch losgeschickt hatten, diese jedoch auf ihrem Rückweg gemeldet hatten, dass sie niemanden bei den Ruinen gefunden hätten. Wir waren aber mit Lagerfeuer nicht zu übersehen. In mehreren Anläufen besprachen wir mit den verantwortlichen Uniformierten, dass es aus Sicherheitsgründen für uns am besten sei, diesen Ort zu verlassen. Doch wollten sie uns keine Batterien für Taschenlampen, keine Taschenlampen dalassen, ebenso wenig uns in ihrem PickUp mitnehmen, nicht einmal die kleinsten und erschöpftesten. Sie könnten einen trufi hochschicken, sofern dieser sich dazu überreden lässt

Somit bauten wir alles rasend schnell ab, um nicht die Gefahr zu laufen, auf die Besitzer zu treffen, die bekanntermaßen regelmäßig ihre Verstecke kontrollieren. Da wir die einzigen weit und breit waren, gibt es da für diese Klientel nicht mehr viel zu besprechen. Zeugen dürfen nicht überleben. Zum Glück verstanden die Jugendlichen die Situation soweit, dass es ihnen auch lieber war, diesen Ort zu verlassen. Bei Vollmond stiegen wir ohne Taschenlampen herab, was sich für viele Jugendlichen als spannendes Abenteuer herausstellte. Im Kollegium teilten wir uns drei, die sich als überflüssig herausstellten, da wir durchs Mondlicht sehr gut sehen konnten. Unsere Kollegin trieb die Herde in ihrer Panik und den Auswirkungen ihre Periode bis ins Tal, wo die Polizei auf uns wartete. Denen wurde das Warten nach einer Stunde jedoch leid und zogen ab. Somit landeten wir schlussendlich in Sipesipe und schlugen die Zelte auf einem Fußballplatz neben einer chicheria (eine Art Kneipe) auf. Nach einem kleinen Happen ging es ab ins Bett, schließlich sind wir am Ende doch recht viel gelaufen.

Mit dem Sonnenaufgang hüpften wir aus den Betten, bauten zusammen, genossen unser Frühstück und liefen wie verkatert zum Dorfplatz. Unsere Kollegin hat sich in der Nacht ohne Notiz aus dem Staub gemacht, da es ihr nach ihrer Auskunft zu schlecht ging, um noch länger bei uns zu bleiben. Mit dem Auto ging es zurück in die Stadt, wo ich alle an verschiedenen Stellen absetzte und froh zu Hause meinen Kaffee genoss und mich vier Stunden lang nicht aus meinem Bett bewegt habe, nicht einmal zum Duschen. Die Entspannung und erlaubte Faulheit musste einfach her.

Am Montag fragten mich die Banausen direkt nach den Fotos und wann es auf die nächste Exkursion geht. Für die Jugendlichen war es ein wirklich tolles Erlebnis, für uns als Team auch, nur hielten wir danach drei Teamsitzungen, um unser Verhalten und das der Polizei zu reflektieren.