Sonntag, 20. Februar 2011

Peru III

Recht frühzeitig wurde klar, dass wir aus finanziellen Problemen Flors nicht zu ihrer Großmutter fahren könnten, jedoch aber zu ihrer Tante nach Huacho. Dies verschob sich jedoch täglich immer weiter nach hinten, weswegen ich mehr Tage in Huancayo verbringen sollte. Obwohl mir die Gegend gut gefällt, hatten wir uns bereits alles angeschaut, was auf die Stelle unkompliziert und mit unseren unterschiedlichen Ansprüchen entdeckt werden konnte. Natürlich gefiele es mir einen Rucksack zu packen und in die Natur hinein zu spazieren. Mehrstündige Ausflüge gefallen mir sehr gut, jedoch bloß mir. Deswegen kam mir der Gedanke, dass ich auch schon einen Tag vorher nach Lima zurückfahren kann und mir diese weltbekannte Hauptstadt anschauen kann. Von dort fahren wir eh weiter nach Huacho. Ich sprach das alles mit Flor ab und setzte mich über Nacht in den Bus. In aller Früh schmeckten mir die warmen refrescos aus leche de soya oder Quinua sehr gut. Am Vortag hatte ich mir noch schnell im Internet vier Teile einer Stadtkarte ausgedruckt und ungefähr markiert, wo ich empfohlene Hostals finden kann. Da ich aus meinem vorherigen Besuch wusste, dass sich Taxifahrten stark auf den Geldbeutel schlagen, zog ich es zunächst vor, zu Fuß in der Nähe nach Unterkünften zu suchen. Dies erleichterte auch, dass ich am folgenden Morgen Flor um 7 Uhr im Busbahnhof träfe. Diese Idee zog sich soweit hin, dass ich irgendwann die Sinnlosigkeit dessen bemerkte, da ich bereits drei Stunden unterwegs war und sich das Meer in greifbarer Nähe befindet. Los geht´s!

Die Kueste Limas
Dort machte ich eine Pause und goss die Pflanzen in dieser unglaublich reichen Wohngegend. Leute joggten, zogen Runden auf ihrem Fahrrad oder Hund -in Bolivien streifen einfach nur tonnenweise Straßenköter durch die Straßen- und entflogen in einem motorbetriebenen Fallschirm. Größer können Unterschiede kaum sein. In Cochabamba werde ich beständig von wirklich verarmten Familien angebettelt und hier pusten die Menschen ihr scheinbar überflüssiges Geld in die Luft. Schnell weg hier. Ich suchte mir einen Weg entlang der Küste in das bekannte Stadtviertel miraflores, wo ich mir eine Schlafmöglichkeit eingezeichnet hatte. Doch der Eindruck wurde nicht besser. Spielplätze mit Plastikgeräten, unnatürlich gleichmäßigem Rasen und Eltern, die unter höchster Vorsicht auf ihre Kinder aufpassen, damit sie sich nicht auf dem weichen Kunstboden weh tun. 

Spielplatz in Lima

Der erste Mc Donald´s nach fast einem halben Jahr brachte mich mit den dazugehörigen Menschen, die hetzend zu ihren modernen Autos telefonierend rannten und sich durch die Sicherheitsvorkehrungen (an jeder zweiten Ecke steht eine Mensch vom Sicherheitsdienst und viele Straßen- bzw. Häuserstücke werden per Kamera gefilmt) fast dazu schreiend wegzurennen. Doch verdient das Viertel seinen Namen mit der Sinngenmäßen Übersetzung „schau dir die Blumen an“ zu Recht seinen Namen. Unglaubliche viele Gärtner müssen angestellt sein, um alle dies Kunstbäume und Blumen zu pflegen.

miraflores
Doch nach einen sechsstündigen Marsch überredete mich meine Lust mich endlich zu duschen dazu, in dem nächst besten Hostal ein Bett zu beziehen. Auch wenn mir zum Frühstück ein frisch gepresster Orangensaft und zwei Brötchen angeboten wurden, die mir außerhalb der vorgesehenen Zeit serviert wurden (ich musste mich sehr früh mit Flor treffen), überzeugte mich der im Vergleich zu Huancayo verdreifachte Preis wenig. Was ich in Bolivien kaufen kann, bekomme ich hier zur gleichen Zahl angeboten, obwohl ein Soles zu 2,5 Bolivianos gewechselt wird. Der warme Wasserschwall tat jedoch sehr gut. Ich endschied mich Richtung Norden zu laufen und durchstreifte auf meinem Weg verschiedenste Stadtbezirke.

Schuputzerstand
Ahnungslos lief ich sogar durch la victoria, was im Reiseführer (den muss Mensch dazu natürlich besitzen) als für Touristen nicht betretbaren Landfleck ausgeschrieben wird. Endlich bekannte Bilder: kaputte Häuser, die halb fertig gebaut wurden, Obdachlose und vor Schweiß triefende Arbeiter. Als einziger Weißer viel ich natürlich auf. Diese starke Aufmerksamkeit wurde mir jedoch irgendwann so unwohl - Lima gilt schließlich als gefährliche Stadt-, dass ich mit einem Taxi davonbrauste. Auch wenn ich nicht wirklich viel dabei hatte, wollte ich es vermeiden, erneut ausgeraubt zu werden. Schokolade essen bereitet mir mehr Freude. Mir war dabei egal, dass mich der Taxifahrer rücksichtslos übers Ohr haute. Meine Müdigkeit vom vielen Laufen wies mich an, in Bezirke zu gehen, in denen ich wesentlich ruhiger daher laufen konnte. Im historischen Stadtviertel fand ich alte Gebäude, die mich an die Museumsinsel in Berlin erinnerten.

barrio historico
Wie sind die überhaupt hierher gekommen? Das gehörte für mich bis dato alles eher nach Europa. In meiner kleinen Pause vorm Palast sprachen mich vier verschiedene Menschen an, die mit mir entweder zu einer Reggeafete oder ein Bier trinken gehen wollten. Auf meine höfliche Ablehnung kamen sie zum Punkt und boten mir Drogen zu angeblich günstig Preisen an. Sicherheitspersonal wies mich sogar darauf hin, dass ich mich von solchen Menschen fernhalten soll. Lustig war, dass mich der Mann auf Englisch fragte, welche sprachen ich spreche. Ich antwortete ihm auf Spanisch, dass es am besten wäre, wenn er mit mir auf Spanisch redet. Den Hinweis hörte ich mir dann aber trotzdem auf der Weltsprache an. Der permanent hiesige und stets betreute Wasserwerfer und Maschinenpistolenwagen bewachten diese trächtigen Gebäude. Ein kleines Stück ging ich wieder zurück gen Süden und fuhr mit dem Bus zurück zu meiner Unterkunft. Die zwölf Stunden zu Fuß merkte ich sehr, als ich mir meine Suppe kochte.




Am nächsten Morgen wartete ich im Busunternehmen auf Flors Ankunft. Leider kam sie nie an, weswegen ich das nächste Internetcafé aufsuchte und sie mir am Telefon sagte, dass sie auch im Warteraum von denen sitzt. Bei dieser Gelegenheit fand ich heraus, dass mich der Taxifahrer auf der Hinfahrt abgezogen hat. Er brachte mich einem Preis, der mich zu dem zweiten Büro des Reiseunternehmens bringen sollte, zu dem, welches um die Ecke lag. Deswegen dachte ich natürlich, dass es nur dieses gab. Schleunigst fuhr ich mit dem Bus zu Flor.

mercado en Huacho
Huacho ist eine kleine Stadt am Meer, die nur zwei Stunden von Lima gen Norden entfernt liegt. Diese kleine süße ausgetrocknete Stadt wird durch diese Meeresbriese angenehm belebt. Wir suchten mir ein Bett zu günstige Konditionen im Zentrum und fuhren dann zu ihrer Tante. Nach unserem kleinen Ausflug zum Strand genossen wir kühle Biere in den Bars der Stadt, welche in Deutschland höchstwahrscheinlich als Dreckloch geschlossen werden. Im oberen Stockwerk wurden die Holzplatten schwarz angemalt und durch das einfallende Licht der Straßenlaternen beleuchtet. Ich weis nicht, wer da noch mit mir ein leckeres cusqueña genoss.
Cebiche
Am nächsten Tag aßen wir die nächste peruanische Spezialität: Ceviche. Dies ist ein Teller mit verschiedenen rohen Fischsorrten und einer nährreichen Fischsuppe. Die Meeresbewohner werden nur Sekunden in kochendes Wasser und danach in Limone getaucht, was dem Essen den erfrischenden Charakter verleiht. Mit ihrer Cousine fuhren wir zu einem etwas abgelegenen Strand, an dem Fischer zwischen den Felsspitzen und aufspritzenden Wellen ihre Angelesene auswerfen und auf Fang warten. Sie erzählten mir, dass es ganz in der Nähe einen Strand Namens acapulco gäbe, der nur aus Steinen besteht.


Angetrieben von meinem Kindheitswitz: „ Wo liegt das denn? Na hinter Acapulco!“ wollte ich unbedingt dort hin. Auf dem Weg lernte ich erneut, was den Unterschied von einer Kleinstadt zu dieser anonymen Metropole Berlin ausmacht. Die Cousine unterhielt sich die ganze Fahrt über mit dem Taxifahrer, war schließlich ein Kumpel und später mit der Verkäuferin aus einem kleinen Laden. Ich hatte jedoch Schwierigkeiten diesen Unterhaltungen zu folgen, ich fühlte mich wie in meinen ersten Tagen in Bolivien, da die Küstenbewohner das S verschlucken und wesentlich schneller sprechen. Acapulco zog mich eine ganze Weile in seinen Bann, da mich das durch die Wellen aufeinander prasselnden Steine Geräusch Prasseln verzauberte.

acapulco
Von dort liefen wir zu einem anderen Familienteil Flors, die jeden Tag ihre Ziegen auf noch nicht ausgetrocknete Weiden treiben. Diese wirklich netten und gesprächigen Leute boten mir in ihrer Hütte Milchreis aus Ziegenmilch an. Nach Dunkelheitseinbruch fährt hier jedoch nichts mehr motorisiert weg, weswegen wir einen langen Fußmarsch durch Felder antraten und eine Tante zu ihrem Haus zu der Nachbarstadt Huachos begleiteten. Schon den ganzen Tag über freute sich die Cousine auf den Besuch ihres Freundes und Vater ihres gemeinsamen Kindes aus Lima. Dieser mir wirklich suspekt vorkommende Neureiche einundzwanzig Jährige Bursche Telefonierte oder versuchte es zumindest die ganze Zeit, genauso wie er nicht auf einem Fleck stehen bleiben konnte. Sein Bruder tat es ihm gleich. Bei ihm zu Hause schenkte er mir unverständlicherweise eine Kette sowie zwei T-Shirts. Aus Höflichkeit konnte ich diese leider nicht ablehnen, denn meinem Geschmack entsprachen sie nicht. Flor erklärte mir, dass dies ein Zeichen für Gastfreundschaft sei. Aus meiner Brille heraus auch eines für Wohlstand. Zum Glück suchten wir früh unsere Domizile auf und entronnen somit dem unangenehmen Abend.

Ziegenfarm
Erneut stand mir eine dreitägige Rückreise an, die deswegen aber nicht langweilig wurde. Nach Lima unterhielt ich mich mit einem netten Geschäftsmann und verabschiedete mich aus der luftverschmutzten und für mich nicht in das Bild von Lateinamerika passende Metropole Lima. In Moquegua genoss ich in aller Ruhe direkt zwei refrescos zum Frühstück, bevor es nach Bolivien weiter ging. Dies musste ich jedoch im nächsten Bus bitter bezahlen. Ich wurde vor Schmerzen aus meinem gemütlichen Schlaf gerissen, in denen mich zuvor die zahlreichen Serpentinen gewogen hatten. Meine Blase platzte förmlich vor dem wirklich leckeren Getränk. Doch einen Liter vor einer achtstündigen Busfahrt binnen kürzester Zeit hinunter zu kippen zählt nicht zu der Liste weiser Taten. Gerade so schaffte ich es durch mentale Kräfte mich erneut in den Schlaf zu reden. Doch es half nichts, die Pinkelpause war bei weitem noch nicht in Sicht, ich musste mir also anders zu helfen wissen. Ich erinnerte mich an eine peinliche Geschichte einer anderen Freiwilligen, die ihren Durchfall in einer Tüte abladen musste, was bei der Entsorgen dieser furchtbar schief ging. Doch dies erschien mir als einzig möglich. Zum Glück saß ich alleine in meinem Doppelsitz, weswegen ich die Plastikhülle in meiner Hose installieren konnte und nach langem Zögern den Blasendruck darin auslassen konnte. Bei dem überfälligen Zwischenhalt sprang ich förmlich über die Köpfe der anderen Passagiere hinweg, um zum nächsten Baum zu gelangen. In der Prärie stehen diese jedoch selten rum, war mir aber egal. Erleichtert konnte ich mir auf der Fahrt nach La Paz das Volksfest in Mitten des Nirgendwo beim Vorbeifahren anschauen. Viele Menschen sind mit trufis und ihrer traditionellen Kluft aufgelaufen und schauten den Tanzpaaren zu oder tranken abseits ihr Bier in einer kleinen Runde.

fiesta boliviana
Zurück in Cochabamba führ ich mit den wahrscheinlich ersten morgendlichen trufis zu mir nach Hause und genoss bei einem Kaffee, wie die Stadt langsam den Morgentau durchstoß und ihre Arme gähnend reckte.

Mittwoch, 16. Februar 2011

Peru II

Am nächsten Morgen trafen wir uns vor meinem Hostal, wobei ich mich während ich auf Flor wartete mit dem Besitzer unterhielt. Wir frühstückten auf dem Markt einen Saft, der komplett aus Obst gepresst wird. Zucker und Wasser kam da nicht rein. Danach liefen wir durch die Hauptstadt der Provinz Junin und schauten uns schließlich den Zoo an.

Huancayo
Zum Mittag wollten wir eigentlich bei ihr zu Hause genießen, gekocht von ihrer Mutter. Doch plötzlich hieß es, dass Flor schauen müsste, ob das überhaupt geht. Sie lud mich bei mir im Hostal ab und versprach in Kürze wieder da zu sein. Nach 2 ½ Stunden später und einigen Süßigkeiten um den Hunger kurzweilig zu betäuben rief ich bei den Telefonnummern an, die sie mir gegeben hatte und fragte nach, was hier eigentlich vorgeht. Ich solle mich nicht sorgen, sie ist praktisch schon auf dem Weg und bringt mir das Mittagessen mit. Ich verstand gar nichts mehr und mich nervte Abhängigkeit von ihr. Ich besaß kein hier funktionierendes Telefon. Konnte sie nur auf irgendwelchen Nummern in Telefonzellen anrufen, wobei sie hier aber auch kein Handy besitzt. Somit konnte ich einfach immer nur darauf warten, was sie sagt und wann sie mich abholt. Am Abend trafen wir uns mit ihrer alten und einzigen nicht schon weggezogenen Schulfreundin in der einzig vorhandenen Barstraße.

Heute sollten wir endlich aufs Land fahren und die Schönheit Perus kennenlernen -so liefe dies vielleicht eher in der deutschen Kultur. Wir fuhren jedoch eher in ein Dorf, wo durch Fluss und Fischzucht in mehr als 20 Restaurants trucha gegessen werden kann.

trucha
Durch den einsetzenden Regen ging für Flor eh jede Motivation verloren, noch ein wenig durch die Landschaft spazieren zu gehen. Zum Glück konnte ich sie dazu motivieren, denn es lohnte sich sehr. Ein Farbenreichtum blinzelte durch die Regentopfen hindurch. Die Berge wölbten sich in ihren grünen Streifen empor und spuckten den reißenden Bach aus, der in einem erstaunlichen Getöse für seine Größe Felder kreuz und quer durchkreuzte.
 So ging es die folgenden Tage weiter: Ich hatte Lust die Landschaft per Fuß zu erkunden, Essen war mir da eher unwichtig und stoß damit gegen die Kultur an. Somit mussten wir beide jeden Tag aufs Neue einen Kompromiss zwischen unseren Gewohnheiten sowie Vorstellungen finden und dabei sehr bedacht darauf sein, den anderen nicht unwissend zu Arg auf den Schlips zu treten. Wir sahen uns an den folgenden Tagen den Identitätspark an, was eine sehr interessante und witzige Idee ist. In dem Meer aus halb verputzten sowie fertig gestellten rot-grauen Häusern sprießt wie eine Blume dieser Park hervor. Aufwendig wurden mit kleinen Steinen Türme, Statuen und Brücken angelegt, die alle in irgendeiner Weise die peruanische aber noch viel mehr die huancayonische Kultur darstellen. Viele Hochzeitspaare lassen sich hier trauen oder schießen hier zumindest ihre Fotos. Tanz- und Musikgruppen zieht dieser Ort auch gerne an.

Park der Identitaet
 Ich freute mich natürlich sehr darüber, dass wir komplett um den See herumgelaufen sind. Die kleine Runde von 2 Stunden stieg aber bereits über Flors Grenze hinaus: Ihr täten später die Füße weh. Nichts desto trotz erfreuten wir uns an der Stille, die nur die Natur selbst durchbrach. Liefen vorbei an einfachsten bäuerlichen Verhältnissen, an einem Farbenmeer, welches durch die Regenzeit besonders aufblüht.

der See
Frau treibt ihre Schweine
 Leider konnte ich die Überreste vorheriger Bewunderer nicht übersehen. Stellenweise fanden wir kleine Müllhalden oder auch so hauptsächlich Plastikreste. Bedauernswerter Weise sehe ich solche Spuren von Menschheit immer wieder, auch in abgelegenen Orten. Da Müll lästig ist mit sich herum zu tragen, wird er aus dem Fenster oder einfach so auf den Boden gepfeffert. Das Motto „Aus den Augen, aus dem Sinn“ funktioniert hier am besten. Flüsse, Verstecke, Feuer oder Straßen, an denen vorbeigefahren wird eignen sich dafür geradezu perfekt.

Muell
Kultureller Höhepunkt stellt für mich die Mittagessen in ihrem Geburtshaus dar. Zwei mal aßen wir zu Mittag und zum Frühstück, z.T. mit ihren Eltern. Ihr Vater spricht noch immer recht gutes Deutsch, obwohl sein deutscher Freund vor dreißig Jahren in seine Heimat zurückgekehrt ist. Die beiden Brüder interessieren sich mit dem Vater zusammen sehr für die deutsche Bundesliga und wissen darüber bei weitem mehr als ich. Zeitweise befand ich mich in einer Interview ähnlichen Situation, die trotz „Kreuzverhör“ angenehm verlief, da die Familie echtes Interesse bewies und dabei trotzdem Privatsphäre und Unbehagen wahrte. Sehr nette Menschen. Das Essen war natürlich auch vorzüglich, traditionell und wie immer mehr als reichlich. Beim ersten Mal Schaffte ich es nicht, den Reis komplett aufzuessen. Doch dachte ich, dass ich ja das wichtigste mit Bravour verputzt habe. Das Hühnchen und dessen Soße war wirklich vorzüglich. Als Flor dann abräumte, sagte ihr der Hausherr, dass sie mir doch noch mehr auftun soll. Dies wiederholte er mehrmals, obwohl ich versicherte, dass mein Magen vor delikatem Essen fast platzt. Am folgenden Tag aß ich mit Flor alleine im Wohnzimmer, wobei mir sie steckte, dass ihre Mutter aus dem Reishaufen hinter vorgehaltener Hand abgelesen hat, dass es mir nicht gemundet hatte. Welch eine Fehlinterpretation. So halbwegs konnte ich dies wieder ausbügeln, indem ich mir heute noch einen klitzekleinen Nachschlag gewünscht habe, der leider in einem normalen Teller ausfiel. Flor half mir zum Glück. Doch davon abgesehen, war der Spaß generell nicht ganz so einfach zu bewerkstelligen. Ich konnte erst durch das Tor zum Garten schreiten, wenn mir die Familie von innen aus Eintritt gewährte, auch wenn verabredet war, dass wir gleich zusammen essen zum Beispiel. Einen Morgen wollte ich mit Flor bei ihr zu Hause frühstücken. Der Vater unterhielt sich solange mit mir auf der Straße, bis sie erschien und mich rein bat. Sie musste sich schnell noch etwas anziehen und bat deswegen ihren Vater sich mit mir dort zu unterhalten, damit ich mich nicht unwohl fühle, wenn ich alleine im Wohnzimmer stehe. Ich setzte mich auch erst hin, wenn es mir angeboten wurde. Ebenso fragte ich jedes Mal, ob ich auf die Toilette kann, wartete, dass Flor alle anderen Türen schloss und mir die Genehmigung gab. Von dem Haus kenn ich nur das Wohnzimmer und den Flur zum Klo. Flor erklärte mir, dass sie auch bei ihrer besten Freundin, die sie seid 10 Jahren kennte, heute noch jedes Mal fragt, ob sie auf die Toilette gehen darf. Das ich den Tisch nicht mit abräumen durfte, geschweige denn servieren oder abwaschen erscheint mir hier einfach nur logisch. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, fällt mir auf, dass sie sich immer bemüht haben, mich für so wenig Zeit wie nur möglich alleine zu lassen. Ungeachtet dessen, dass sie vielleicht spät dran zu einem Termin sind. Gastfreundschaft schreibt dies aber vor. Oft war ich mir sehr unsicher, ob ich nicht von einem Fettnäpfchen ins Nächste stieg und sie mir es einfach nur aus Höflichkeit nicht sagen. Diese Beklemmung nahmen sie mir aber durch ihre offene herzliche Art, die mich wieder zurück in einen Bereich des Wohlfühlens holte.
Wer kein Auto hat, nimmt Esel zum Transport

Montag, 14. Februar 2011

Peru I


Insgesamt stehen mir vier Wochen Urlaub zu, von denen ich zwei in den ersten beiden Januarwochen nehmen musste, da in diesem Zeitraum die Fundación schließt. Nach mehreren unvorhergesehenen Planänderungen hieß es schlussendlich, dass ich in den zwei Wochen einen Freundin Flor, die ich aus Cochabamba kenne und hier auch Tourismus studiert in ihrem Heimatort in Peru besuchen fahren werde. Aus der Idee, dass ich vorher mit Mia zum Salar von Uyuni fahre, mussten wir leider vergessen, da sie kurzfristig doch kein Urlaub bekam. Flor schrieb mir kurz vor meiner Abreise, dass sie nicht genügend Geld haben wird, um mit mir ein wenig durch Peru zu reisen. Nichts desto trotz setzte ich mich in den Bus, ihr Geburtsort bot auch einige Ausflugsziele und zumindest wollten wir dann zu ihrer Oma aufs Dorf fahren.

Flüge innerhalb Lateinamerikas fallen unglaublich teuer aus und übersteigen Fahrtkosten per Bus ca. um das Dreifache. Billigflieger wie in Europa gibt es nicht. Zugverbindungen ebenso, bis auf einige wenige Strecken. Deswegen reisen die Menschen immer per Reisebus, wodurch deren Infrastruktur sehr dicht ausgebaut ist. Bis in die kleinsten 100-Seelen-Dörfer kann mensch per Reisebus fahren. Flor schrieb mir also eine Email mit der genauen Reiseverbindung und allen wichtigen Details, die ich wissen musste, um gut, sicher und relativ günstig anzukommen. Sie selbst war schon über den Jahreswechsel hingefahren.

auf dem Weg zur Grenze
Am 2.Januar setzte ich mich also nachts in den ersten Bus nach La Paz, der am Morgen in der eiskalten Talstadt ankam. Von dort fuhr ich mit einem Taxi zum nächsten Busunternehmen, welches mich in einem klapprigen Gefährt innerhalb von zwei Stunden zur Grenze brächte. Der Taxifahrer wollte mich gewohntermaßen fünf 5Bs mehr zahlen lassen, als den normalen Höchstpreis, den mir Flor auch in dem Brief schrieb. Nach kurzer Diskussion konnte ich durch die ausgedruckte Wegbeschreibung den Preis senken. Vorbei am Titicacasee kamen wir in der Grenzstadt Desagaudero an, wo ich mich in für lateinamerikanische Verhältnisse geordneten Büros anstellte und meine Visastempel ausgestellt bekam.

Titicacasee
Auch der nächste Taxifahrer wollte mir ein Soles mehr für den Weg abnehmen, da ich spät dran war und kein Ahnung hatte, wie viel das überhaupt wert ist, fuhren wir einfach los. Leider gab es in dem mir empfohlenen Unternehmen keine Sitzplätze mehr, weswegen ich eine Tür weiter fragte. Die Einreise hatte etwas länger gedauert, als erhofft, weswegen ich nur noch den etwas späteren Bus nehmen konnte. 30 Soles sollte mich der Spaß kosten. Also fünf mehr als Flor es mir geschrieben hatte, doch es war schließlich eine andere Firma und die Preise schwanken auch gerne einmal. Das Büro befand sich in einer Garage, in der ein Tisch zum Abkassieren und im Hintergrunde zwei Bänke an die Wand gestellt wurden, wo ich Platz nahm. Nachdem mich ein wildfremder Vorbeilaufender Mann mich angesprochen hatte und ihr während unseres Plausches immer wieder Hörte, dass die gleichen Fahrkarten an Einheimische für 25 Soles angeboten wurden, sprach ich den Verkäufer daraufhin an. Erstaunt versuchte er mir zu erklären, dass die vordersten vier Sitze mehr kosten würden. Da weiter hinten noch Platz war, ging ich auf seine Lüge ein und sagte ihm, dass ich dann nach hinten wechselte, um möglichst günstig zu reisen. Er gab mir einfach meine fünf Soles wieder und verschwand mit gesenktem Blick. 

Auf dem nach Moquegua
Los ging es durch das Hochland. Wir stiegen auf Höhen an, von wo die normalen Wolken zum Anfassen nah waren. Nur in wenigen Tälern konnten wir Pflanzen sehen, ansonsten die reinste Dürre, durch die wir bretterten. Unterwegs mussten wir anhalten, da ein Motorproblem gelöst werden musste. Im Nirgendwo ging ich wie alle anderen auch ersteinmal auf Klo. Schön ist immer wieder zu beobachten, wie die Menschen ihre Ideen und Lösungsvorschläge oder aber auch einfach nur Beschwerden in ihren Bart brubbeln und den Busfahrern im Weg stehen. Leider kam ich dadurch zu spät in Moquegua an. Es gab keine Fahrkarten mehr, die mich nach Lima noch am gleichen Abend brächten. Am folgenden Tag sollte es weitergehen. Problematisch wurde jetzt nur, dass ich für die Fahrkarte sehr viel ausgab, was aber preislich stimmt, und ich nur noch wenige Soles übrig hatte. Doch musste ich noch eine Unterkunft sowie Essen o.ä. für den nächsten Tag kaufen. Doch in solch einer Kleinstadt steht der nächste Bankautomat nicht in der nächsten Ecke, zudem hört sich mensch auch gerne mal Wegbeschreibungen von Leuten an, die es selber eigentlich gar nicht wissen. Somit durchlief ich in meiner Suche die bereits die halbe Stadt. Ich fand ein Hostal und ging auf dem Markt Essen. Dort gab es mehrere überfüllte Stände, die etwas Warmes anboten. Ich sagte in meiner Unwissenheit, dass ich das gleiche wie die Dame neben mir haben möchte. Den Preis von einem Soles für diesen Milchreis (nur aus anderen Zutaten hergestellt) fand ich auch danach raus. Am nächsten Morgen spazierte ich durch die Stadt, genoss die Aussicht von der Christusstatue und stieg um 5 in den Bus. 
Moquegua
Dieser hielt nachts vor einem Restaurant an, wo uns allen kostenlos (steckt also im Fahrtpreis mit drin) ein leckeres Abendbrot serviert wurde. Frühstück gab es dann aber im Bus. In Lima zog mich der Taxifahrer ab, indem er mir auch Flors angegebenen Preis sagte, mich aber nur um ein paar Häuserblocks fuhr, da dort auch ein Büro des Busunternehmens ist. Da liefe ich in 5 Minuten selber hin. Um die Hauptstadt ein wenig kennen zu lernen, lief ich eine Hauptstraße runter und wieder zurück. Doch zu dem dreckigen Fleck Erde komme ich noch später. Im Bus wurde mir zum Mittagessen Hühnchen serviert, welches sehr schwer im Magen lag, als wir uns erneut durchs Gebirge schraubten und an atemberaubenden Dörfer vorbeirauschten, die offensichtlich einzig von ihren Bergstollen lebten. In Huancayo suchte ich dann mit Flor eine Unterkunft für mich, die sogar ganz groß ausschrieb, dass es warmes Wasser in den Duschen gäbe. Welch eine Lüge. Durch die Regensaison funktioniert keine recht fortschrittliche Wasseranlage, die sich durch Sonnenstrahlen aufgewärmt wird. Doch nach vier Tagen Reise gefällt mir auch eine eiskalte Dusche. Zusammen mit ihren Eltern tranken wir noch einen Kaffee und wir beide gingen danach noch in eine Bar, wo wir direkt etwas Typisches aus Huancayo probierten. Da die Stadt so weit oben liegt, ist es dort die meiste Zeit über recht kalt. Dementsprechend gefällt den Menschen ein kühles Blondes eher weniger, dafür aber aufgewärmte Mischgetränke, die aus einem Likör und irgendwelchen Säften, Brausen und refrescos bestehen.

Auf dem Weg nach Huancayo