Sonntag, 12. September 2010

Erste Eindruecke

Mein erster Tag: Am Donnerstag wurde ich gefragt, ob ich nicht Lust hätte am Freitag direkt mit Johannes arbeiten zu gehen. Fußball stünde auf der Tagesordnung. Klar, deswegen bin ich doch hergekommen. Am Abend wurde ich dann gefragt, ob ich nicht mit tausenden (Kultur)Eindrücken überrannt sei. Doch fangen wir von vorne an: Mein erstes Frühstück genoss ich mit einem traumhaften Ausblick auf die Stadt und das Wahrzeichen EL CRISTO auf der Dachterrasse. Anschließend gingen wir los, streckten an einem chaotisch überfüllten Kreisverkehr die Hand heraus, um in ein besagtes Truvi der Linie 110 einzusteigen. Truvis sind so umgebaute, normale Autos, dass möglichst viele Menschen in ihnen Platz haben, sie sich aber trotzdem durch ihre kleine Größe bequem im Straßenverkehr zurechtfinden. Combis oder Kleinbusse sind hierfür sehr beliebt, zum Teil aber auch normale Fünftürer. Doch jetzt die spannende Frage: Wie viele Menschen können in einem Kleinbus transportiert werden, inklusive Gepäck? In Deutschland überstiege diese Anzahl nicht den einstelligen Bereich. In Bolivien sprechen wir hier von bis zu zwanzig Menschen, wenn nicht noch etliche auf dem Dach Platz finden sollten. Dies konnte ich jedoch nur einmal beobachten. Diese kleinen mit Menschen verstopften Tanker düsen dann durch die Stadt, folgen ihrer Route, die Mensch nach einer Zeit kennt und lassen einen rein und raus, wann immer Mensch möchte. Für ganze 15Cent kann ich diesen Zirkus miterleben.


Nach dem wir ausgestiegen sind, kreuzten wir Straßen, bei denen ein dt. Verkehrspolizist Suizid begehen würde oder einfach überfahren werden würde. Vom Büro der Organisation „Fundacion Estrellas en la calle“ aus fuhren wir in einem PickUp zu einer Straßenkindergruppe, um sie mit zum Fußball zu nehmen. Diese Gruppe verdient Geld durch Scheibenputzen an der Avenida America. Dort holten wir sie ab, indem sie einfach aufsprungen, immer wieder anhielten, damit auch die Hunde einsteigen können. Doch wo sollen ca. 15 Kinder, 4 Hunde und 7 Mitarbeiter in einem PickUp Platz finden. 5 vorne und der Rest hinten auf der Ladefläche. Beim Fußballspielen auf dem Sandfeld merkte ich zum ersten Mal die Höhenunterschiede zu Deutschland, denn bereits nach 15min recht aktiven Spielens musste ich durchatmen und immer öfter Pausen einlegen. Als der schon eh sehr lädierte Fußball platzte, fing ein Freiwilliger mit ein Paar Übungen in Capoeira an. Anschließend fuhren wir durch die Stadt zu einem Markt um Essen zu kaufen. Nach einer weiteren Fahrt zu einem Park wurde Suppe, Brot und Saft verteilt und zunächst eine Danksagung fürs Essen gesprochen und, jeder der wollte, konnte Niko mit einer Dankesrede nach Deutschland veranschieden. Doch jetzt kommt Pointe: Während wir da z.T auf der Bank sowie dem Straßenboden saßen, aßen wir die Suppe und den Saft aus normalen Plastiktüten. Von den Jungs schaute ich mir ab, wie Mensch eine heiße Suppe aus eine dünnen Plastiktüte isst. Der obere Knoten wird weiter nach unten versetzt und in eine Ecke ein Loch gebissen. Anschließend muss die Suppe nur noch durch dieses Loch geschoben/gesaugt werden.

Nachdem die Jungs nach Hause oder zur Avenida America gebracht wurden, fuhr ich mit einem anderen Freiwilligen Metteo und Oskar, dem Projektleiter für Coyera zu dem Büro des Projekts Coyera. Dieses wird zurzeit noch zu ende gebaut und liegt in einem sehr verarmten Stadtteil. Sandstraßen, Straßenhunde, überall rumliegender Müll, Toilettenabwasser, Lehmhütten und einfachste Häuser bilden hier eindeutig das Straßenbild. In dem Projekthaus räumten wir dann einen Raum auf, damit dieser ab sofort genutzt werden kann.

Abends kamen dann zwei Mitarbeiter bei uns zu Hause vorbei. Dort tranken wir zunächst ein bisschen bolivianisches Bier, lernten viel über bolivianischen Gewohnheiten: Zunächst wird eine Art Gastgeschenk mitgebracht, möchte ich mir Bier nachschencken, Fülle ich zunächst die anderen Gläser ein und stoße stets mit SALUD an, ständig. Die K'oa findet jeden ersten Freitag im Monat statt und dient zur Ehrung PACHAMAMAs (Mutter Erde). An öffentlichen Plätzen wird dann ein Feuer entfacht, um dass sich alle herumstellen und das traditionelle Maisbier Chicha, welches in traditionelle Brauart mit Speichel gebraut wird, getrunken. Dabei wird vorm oder nach dem Trinken ein kleiner Schluck in vier Ecken des Feuers getropft. Um seinen Dank und Respekt aber gebürtig zu zollen, muss sich Mensch hinhocken. Dann reicht Mensch diese Trinkschale weiter. Selbstverständlich bedankt sich der Annehmer dafür. Spät in der Nacht wollten wir dann mit einer PLATA POLLO (Hünchenteller) unseren Hunger stillen. In der Nähe lag eine Straßenrestaurant. Sprich eine alte CHOLITA führte einen kleinen Imbiss, der sein Essen auf der Straße anbietet. Für 50Cent wurde auf einem Teller mit Reis und Kartoffeln, welche mit einem Fladen Hühnchen (dünner als ein Schnitzel) abgedeckt werden. Als Sahnehäufchen wird ein Ei oben raufgeschlagen. Dies kann dann je nach Belieben mit Ketchup, Senf und einer typischen scharfen Soße verfeinert werden. Nebenbei noch gesagt fuhren wir den ganzen Abend mit Taxis, die pro Fahrt maximal 2 Euro gekostet haben. Wie bereits oben erwähnt, wurde ich auf de K'oa gefragt, ob ich nicht mit Kultureindrücken vollgespeißt sei.

1 Kommentar:

  1. Henry! Schön, dass es mal was zu lesen gibt von dir! (An das politisch korrekte »Mensch« muss ich mich noch gewöhnen...) Klingt sehr spannend, was du da aus Bolivien schreibst! Ich hoffe sehr, dass ich es irgendwie schaffe, bei dir vorbeizukommen, weil mich der Süden »deines« Landes ziemlich reizt...! Bis denn, dann, saludos muy cordiales desde el Ecuador!

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