Samstag, 16. Juli 2011

Gutherzigkeit

Wo wollen wir hin, was wollen wir eigentlich erreichen? Wozu der ganze Spaß, die Anstrengung und Aufregung? Von diesen Antworten hängt sehr viel ab. Auf institutionellem Niveau bedeutet dies viel Verantwortung und Verantwortung. Denn es müssen Schritte, Zwischenziele, Methoden und Strategien entwickelt werden, um am Ende alles zu erreichen, was sich vorgenommen wurde. Doch was erreichen wir, wenn wir den Straßenkindern Kleidung, Essen, Medizin geben? Wobei hilft ihnen das? Es wird viel Geld aus Europa und Nordamerika mobilisiert und darin investiert, dass es ihnen für den Moment gut geht. Weiter nichts! Gutherzigkeit ist gut gemeint und immer notwendig, wenn wir mit den Straßenkindern arbeiten. Schließlich haben sie in ihrem Leben schon genug gelitten, dass muss nicht noch ausgebaut werden. Die Realität sieht jedoch so aus, dass sie sich in ihrem Lebensumfeld so weit es geht so einrichten, dass es ihnen halbwegs gut geht. Wenn dann NGOs antanzen und all ihre Nöte und Wünsche abdecken, gewöhnen sie sich daran so gut, dass sie sich praktisch einen Wochenplan erstellen, wann sie wo was bekommen oder abstauben können. Natürlich reicht die ihnen angebotene vermeintliche Hilfe nicht komplett aus. Sie müssen am Ende immer noch arbeiten und leiden tagtäglich weiterhin, doch Veränderungen werden nicht generiert. Deswegen muss die Frage, was erreicht werden soll immer mitschwingen. Schließlich haben wir uns diese Verantwortung z.T. übertragen. Mit reinen Geschenken und Dienstleistungen werden sie die Straße jedoch nicht verlassen. Sie bleiben dort, weil sie alles nötige haben oder beschaffen können und somit die Notwendigkeit einer Veränderung des Lebensstil unwichtig wird. Laut etlicher nationaler und internationaler Studien arbeiten ca. 120 Organisationen mit den Straßenkindern Cochabambas, doch nur ca. 2 arbeiten wirklich daran, Veränderungen zu generieren. Zum Glück zählt die Fundacion Estrellas En La Calle mit dazu. Der Rest besucht die Gruppen, schießt Fotos, um mehr Geld aus dem Ausland zu beschaffen und/oder realisiert Aktivitäten, die dazu dienen, dass die Straßenkinder eine angenehme Zeit auf der Straße verbringen, doch immer mit dem Ziel oder Auswirkung, dass sie genau dort bleiben.


Natürlich benötigen sie medizinische Versorgung, um überhaupt die Ressourcen zur Veränderung aufbringen können. Die schließt aus Kleidung und Nahrungsmittel ein. Doch bemüht sich die Fundación immer, dies mit einer Motivationsarbeit zu verbinden. Dies will sagen, dass z.B. Essen nur angeboten wird, wenn bei den Aktivitäten partizipiert wird. In diesen versuchen wir, sie dazu anzuregen, dass sie über ihr eigenes Leben ernsthaft reflektieren, gewisse Dinge erlernen, die sie in einem anderen Leben(sstil) benötigen. Kleidung wird oft als Belohnung verwendet. Wer die Straße verlassen hat, kann sich komplett einkleiden z.B. Ärztebesuche sind da schon ein wenig schwieriger, doch zumindest kann die gemeinsame Zeit zu einem motivierendem Gespräch genutzt werden. Gleichzeitig verlangen wir oft, sofern es möglich ist, dass sie uns an einem bestimmten Punkt in der Stadt treffen, um zu sehen, wie sehr sie motiviert sind, die Verantwortung für ihr eigenes Leben anzunehmen. Beantragen wir mit ihnen ihren Personalausweis, dann wird das in diesem Prozess immer mit einem neuen Lebensplan verbunden. Wozu wird der Ausweis gebraucht? Z.B. um eine bessere Arbeit zu finden, Schulen oder Ausbildungen zu besuchen oder eine Wohnung zu mieten. Die Idee ist es, dass wir ihnen nichts schenken. Auch wenn sie uns den Gegenwert nicht zurückgeben können, müssen zumindest Anstrengungen ihrerseits und Zukunftspläne erkennbar werden. Dies wirkt oft kaltherzig und hart. Doch somit stellen wir sicher, dass sie uns nicht einfach nur ausnutzen und können in einzelnen Fällen Veränderungen bewirken oder vorbeugen, dass sich ihre Lebenssituation allzu sehr verschlechter.

Natürlich ist dieser Weg für sie wesentlich schwieriger als einfach nur Dienstleistungen anderer Organisationen anzunehmen, doch ich denke, dass die Resultate verdeutlichen, welcher Weg eingeschlagen werden sollte. Immer wieder bemerken wir jedoch die Auswirkungen der Arbeit anderer NGOs, die die Straßenkinder dort belassen, wo sie leben. Sie beschimpfen uns manchmal, warum wir ihnen nicht auch all die Dinge wie die anderen schenken, warum wir nur kommen, um sie zu belästigen, warum wir nicht einfach Aktivitäten durchführen können, ihnen dabei Essen und Kleidung geben und fertig, wozu dabei noch der restliche Mist? Um eben am Ende für eine bessere und nachhaltige Lebenssituation der Straßenkinder zu sorgen. Dies sollte unser aller Ziel sein und daraufhin müssen unsere Interventionen sowie Strategien ausgerichtet werden!

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