Sonntag, 12. Dezember 2010

Reisen

Durch die noch übrig gebliebenen Überstunden von dem Wochenende, an dem wir eine kirmess veranstaltet haben, um Geld für das Restaurantprojekt Kartoffel zu sammeln. Sprich: Wir haben verschiedene bolivianische Gerichte und refrescos angboten. Ein Tag Vorbereitung, am anderen fand das Spektakel dann statt. Dadurch bekam jeder von uns 2 Tage an Überstunden gutgeschrieben, die bis Ende November genommen werden musste. Da ich ja auch immer am Samstagvormittag meine Schicht im Inti K’anchay schiebe, ging ein halber Tag für die tolle Reise nach La Paz drauf.


Dort kamen wir bei Freunden (andere Freiwillige aus ihrer Organisation) von Ronja und Mia unter, genauer gesagt in EL Alto, der höchstgelegenen Stadt der Welt. Durch die Nähe zum Himmel fallen die Temperaturen natürlich extrem stark ab. Ein Grund mehr beim Konzert meines Charango-Lehrers Fernando und der Band Atajo ordentlich zu Tanzen. Natürlich haben wir uns auch ein wenig im Touristengebiet rumgetrieben. Doch zum Glück nur, bis wir uns mit Fernando, der hier aufgewachsen ist, trafen und leckeren Fisch aus dem Titicacasee aßen. Nach einem kurzem Absteche bei seiner Familie, trennten sich unsere Wege, da er sich aufs Konzert vorbereiten musste.


In der Zeit fanden ein vegetarisches Restaurant, in dem mensch oder doch lieber direkt Mönch uns zu einer Festlichkeit zur Säuberung eines Steines von einem heiligen indischen Berg. Somit saß ich mit den beiden Mädels mitten in eine Feier Hare Krischnars. Was für ein Erlebnis! El Alto schauten wir uns am nächsten Tag an oder was wir davon überhaupt sehen konnten. Wir gingen schließlich auf den Sonntagsmarkt, der ein ganzes Stadtviertel einnimmt. Um die Dimension noch ein wenig anders zu beschreiben: Wie gewöhnlich gibt es bestimmte Bereiche für bestimmte Produkte, doch irrten wir ganze Häuserblöcke durch das Möbelareal und trafen auf Straßen, wo nur Kommoden oder ausschließlich Tische oder Betten angeboten wurden. Riesig. Natürlich verirrten wir uns in dem Gewusel mehrmals. Leider gab uns die lokale Bevölkerung durch eigene Verwirrung oder Unkenntnis z.T. äußerst falsche Richtungsangaben.



Übrig blieben also noch 1 ½ Tage. Diese wollte ich mit Mia in einem Dorf in der Nähe Cochabambas verbringen. Ich fragte also in meinem Freundeskreis rum, welche Orte zu empfehlen sind. Schlussendlich vertraute ich Christoph, der schon immer nach Mizque reisen wollte, es aber nie schaffen sollte. Für alle anderen vorgeschlagenen Siedlungen wünsche ich mir mehr Zeit. Ich besorgte uns also Bustickets, die uns in der Nacht ankommen ließen.


Da solch ein provinzielles Dorf fast nur am Dorfplatz Straßenlaternen in Betrieb hält, folgten wir den Wegbeschreibungen der Bevölkerung in dunkle Straßen. Nach meinen beiden Erlebnissen und etlichen Erzählung war ich im Gegensatz zu Mia recht misstrauisch unterwegs. Die liebe Cholita saß schlafend vor ihrem Hostal und ließ und recht laut rufen, bis sie aufwachte. Am Morgen klopfte sie dann um 8 Uhr an der Tür, um abzukassieren. Vom Dorfplatz aus und einigen Informationen aus dem lokalen Museum über archäologische Fundstätten liefen wir los in die Pampa, durchquerten einen Fluss und bestaunten, wie tief die Taxis dabei ins Wasser einsanken.


Je weiter wir von dem ärmlich erscheinenden Dorf entfernten, umso einfacher und existenzieller wurden die Lebensverhältnisse. Auf dem Beet/Acker vor der Tür tummelten sich Huhn, Schaf, Kuh, Schwein und Hund, wobei im mittelalterlicher Art und Weise Rinder den Holzpflug durch die vertrocknete Erde schabten. Mizque selbst liegt in einem Tal, umrundet von vielen aber oft recht kahlen Bergen. Durch die sengende Hitze, beständige Waldbrände und grundsätzlich typische Flora und Fauna spazierten wir eine ganzen Tag lang durch pralle Sonne. Da entschieden wir uns schnell für den Weg auf den alten Schienen, anstatt weiter den Berg hinauf zu steigen. Zumal lächelte uns ein wenig mehr Abenteuer entgegen. Wer große Touristenattraktionen erwartet, dem kann ich dieses kleine bezaubernde Örtchen nicht empfehlen. Doch an Natur kann sich hier satt erlebt werden. Z.B. begrünten die braun-orange und aufgeplatzte Erde Kackten, Bäume, deren kleine Blätter wie eine grüne Lampe strahlten. Leider trat ich auch in Dornen, die sich so fies in meine Sohle gepiekt haben, dass ich sie mit meiner Zange rausziehen musste.


Irgendwann entdeckten wir dann eine gigantische Hängebrücke, die wir uns unbedingt anschauen mussten. Ich denke, dass sie errichtet wurde, damit die Menschen auch noch in der Regenzeit den Fluss überqueren können. Zurück im Dorf genossen wir direkt refrescos und fanden heraus, dass der Markt noch offen hat. Dies zogen wir doch glatt einem schnöseligen, uns direkt empfohlenen Restaurant vor. Lustig fand ich, dass ich mir immer überlege, was ich zu Kartoffeln, Reis oder Nudeln dazu kochen möchte. Auf unserem Teller fanden wir alles drei reichlich und ein Stück Fleisch mit leckerer Soße vor. Diese Köstlichkeit kostete uns gerade mal umgerechnet 1€. Wann immer ich Zeit fand, übte ich zur Freude Mias Charango. Nachts ging es dann mit dem Bus zurück. Das verrückte dabei ist, jederzeit Zugestiegen werden kann, weswegen der Bus schnell überfüllt war und einige Menschen die fünf Stunden rüttelfahrt schlafend auf dem Gang verbrachten.

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