Donnerstag, 3. März 2011

triste


Schon oft wurde ich in E-Mails oder Telefonaten gefragt, wie es mir denn wirklich ginge. Aus weiser Kenntnis war vielen anscheinend bewusst, dass ich hier eher weniger über meine Gefühlslage schreiben werde. Nicht aus einem großen Bedürfnis oder gar bedrohlicher Schieflage heraus möchte ich dem entgegenwirken.
Oft überrascht es mich selber, was in mir vorgeht und woher diese Regungen rühren. In meinem Zwischenseminar in Quito, auf welchem ich vor kurzem erst war, erzählten viele in ihrer Gefühlskurve, dass sich ihre Gemütslage drastisch mit der einsetzenden Regensaison herabsetzte. Verstehen konnte ich das zu dem Zeitpunkt kaum. Durch den globalen Klimawandel hat sich die nasse Jahreszeit in Bolivien um ganze DREI Monate verschoben, weswegen ich erst nach meiner Rückkehr Anfang Februar täglich begossen wurde. Durch politische Höhepunkte, von denen ich in meinem nächsten Eintrag berichten werde, und kurzer Krankheitsphase (der Arzt meint, dass ich durch schlechte Lebensmittel temporär erkrankte) kam es zusätzlich dazu, dass ich mehrere Tage in meiner Wohnung verbrachte. Durch beständigen Regen musste ich jedoch in meinem kleinen Zimmer bleiben.
Obwohl ich noch zu Begin des zweiten Monats des Jahres vollauf begeistert von meinem bolivianischen Leben berichtete, fühlte ich mich in letzter Zeit niedergeschlagen. Kaum freute ich mich noch über die kleinen Dinge des Lebens. Selbst mein Lachen verschwand kurzzeitig. Vieles erschien mir einerlei. Pure Monotonie stumpfte mich ab. Schon oft durchlief ich solcherlei Zeiten, entwickelte über die Jahre Strategien diese zu überwinden. Doch irgendwie sollten diese nicht funktionieren. Da wir seit vier Wochen kein fließendes Wasser haben, konnte ich nicht einmal duschen oder mir Kaffee sowie leckeres Essen zubereiten. Filme ödeten mich an. Auch meine Lieblingsmusik von Tool sollte mich dieses Mal nicht beleben. Viel blieb in meinem Repertoire nicht mehr übrig, was mich noch weiter irritierte und deprimierte. Logischer Weise konnte ich da auch kaum noch Licht am Ende sehen. Nur meine Logik versprach mir, dass es irgendwann schon besser werden wird. Da Helena selbst auf Reisen ist, blieb mir nur die Gesellschaft von Johannes, welche mich nicht wirklich aufmuntern konnte. Sie bewirkte das Gegenteil. Mein geliebtes Heim, welches ich gerne zur Erholung aufgesucht hatte, verbreitete eine ungemütliche Stimmung. Also entschloss ich mich, mich so viel wir nur möglich außerhalb aufzuhalten, mich mit Freunden zu treffen. Doch Magenschmerzen und Durchfall sowie Regen setzten da klare Grenzen. Hinzu kommt meine negative Gemütslage, die es mir kaum erlaubte, mich ganz platt gesagt zu vergnügen. Ich bin wirklich froh bolivianische Freunde zu haben, doch ist es nicht das gleiche, wenn ich mich mit meinen berliner Freunden treffe. Auch wenn ich mich schon sehr an die hiesige Kultur gewöhnt habe, sind Treffen nicht ganz so erholsam und beruhigend wie in der Heimat. Der Strudel dreht sich also weiter. Um mich eigentlich abzulenken, verlasse ich mein Haus und schaffe es doch nicht. Immer öfter dachte ich daran, wie angenehm es doch wäre, ein Bier in den tollen berliner Kneipen sowie einen Kaffee mit Freunden zu genießen. Natürlich mache ich solcherlei Dinge hier auch. Mehrere Jahre Freundschaft bewirken aber einfach ein wesentlich aufbauendes sowie erholsameres Verhältnis. Wenn ich mit mir selbst nur noch wenig klar komme, hilft es mir sehr gut, die behutsamen Fänge von Freundschaften aufzusuchen. Doch noch wirken diese hier nicht allzu nachhaltig, weswegen ich just genauso niedergeschlagen in mein nasses, ungemütliches Heim zurückkehrte.

Für all die besorgten Seelen möchte ich hinzufügen, dass ich heute während einem vollen und einnehmenden Arbeitstag in Sonnenstrahlen gebadet wurde. Welche Auswirkungen dies haben kann! Ich fühle mich wesentlich besser, habe diese bedrückende Haube anscheinend abgelegt, wodurch frischer Wind meine tristen Hirnzellen belebte. Hoffentlich bleibe ich in diesem Fahrtwind noch eine ganze Weile.

1 Kommentar:

  1. Hey Henry,

    halte durch!
    Wie dein Kopf es ja die ganze Zeit schon wusste, wird wieder Besserung kommen und an der Sonne (Wahnsinn welch Kraft in Ihr liegt, oder?), den Reaktionen darauf spürst du es ja auch wieder. Vllt. hilft es dir ja auch ein wenig, zu wissen, dass du damit nicht allein bist. nur zu vielen Menschen ergeht es mal so oder ähnlich in ihrem Leben. da hilft fürs erste nur ablenkung und der rest kommt mit der Zeit...aber das weißt du ja bereits ;-)

    Hoffe dir geht es mittlerweile wieder besser. das du so ausführlich über deine "auslandsdepression" geschrieben hast, hat dir dabei vllt. auch geholfen?

    take care!

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