Recht frühzeitig wurde klar, dass wir aus finanziellen Problemen Flors nicht zu ihrer Großmutter fahren könnten, jedoch aber zu ihrer Tante nach Huacho. Dies verschob sich jedoch täglich immer weiter nach hinten, weswegen ich mehr Tage in Huancayo verbringen sollte. Obwohl mir die Gegend gut gefällt, hatten wir uns bereits alles angeschaut, was auf die Stelle unkompliziert und mit unseren unterschiedlichen Ansprüchen entdeckt werden konnte. Natürlich gefiele es mir einen Rucksack zu packen und in die Natur hinein zu spazieren. Mehrstündige Ausflüge gefallen mir sehr gut, jedoch bloß mir. Deswegen kam mir der Gedanke, dass ich auch schon einen Tag vorher nach Lima zurückfahren kann und mir diese weltbekannte Hauptstadt anschauen kann. Von dort fahren wir eh weiter nach Huacho. Ich sprach das alles mit Flor ab und setzte mich über Nacht in den Bus. In aller Früh schmeckten mir die warmen refrescos aus leche de soya oder Quinua sehr gut. Am Vortag hatte ich mir noch schnell im Internet vier Teile einer Stadtkarte ausgedruckt und ungefähr markiert, wo ich empfohlene Hostals finden kann. Da ich aus meinem vorherigen Besuch wusste, dass sich Taxifahrten stark auf den Geldbeutel schlagen, zog ich es zunächst vor, zu Fuß in der Nähe nach Unterkünften zu suchen. Dies erleichterte auch, dass ich am folgenden Morgen Flor um 7 Uhr im Busbahnhof träfe. Diese Idee zog sich soweit hin, dass ich irgendwann die Sinnlosigkeit dessen bemerkte, da ich bereits drei Stunden unterwegs war und sich das Meer in greifbarer Nähe befindet. Los geht´s!
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Die Kueste Limas |
Dort machte ich eine Pause und goss die Pflanzen in dieser unglaublich reichen Wohngegend. Leute joggten, zogen Runden auf ihrem Fahrrad oder Hund -in Bolivien streifen einfach nur tonnenweise Straßenköter durch die Straßen- und entflogen in einem motorbetriebenen Fallschirm. Größer können Unterschiede kaum sein. In Cochabamba werde ich beständig von wirklich verarmten Familien angebettelt und hier pusten die Menschen ihr scheinbar überflüssiges Geld in die Luft. Schnell weg hier. Ich suchte mir einen Weg entlang der Küste in das bekannte Stadtviertel miraflores, wo ich mir eine Schlafmöglichkeit eingezeichnet hatte. Doch der Eindruck wurde nicht besser. Spielplätze mit Plastikgeräten, unnatürlich gleichmäßigem Rasen und Eltern, die unter höchster Vorsicht auf ihre Kinder aufpassen, damit sie sich nicht auf dem weichen Kunstboden weh tun.
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Spielplatz in Lima |
Der erste Mc Donald´s nach fast einem halben Jahr brachte mich mit den dazugehörigen Menschen, die hetzend zu ihren modernen Autos telefonierend rannten und sich durch die Sicherheitsvorkehrungen (an jeder zweiten Ecke steht eine Mensch vom Sicherheitsdienst und viele Straßen- bzw. Häuserstücke werden per Kamera gefilmt) fast dazu schreiend wegzurennen. Doch verdient das Viertel seinen Namen mit der Sinngenmäßen Übersetzung „schau dir die Blumen an“ zu Recht seinen Namen. Unglaubliche viele Gärtner müssen angestellt sein, um alle dies Kunstbäume und Blumen zu pflegen.
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miraflores |
Doch nach einen sechsstündigen Marsch überredete mich meine Lust mich endlich zu duschen dazu, in dem nächst besten Hostal ein Bett zu beziehen. Auch wenn mir zum Frühstück ein frisch gepresster Orangensaft und zwei Brötchen angeboten wurden, die mir außerhalb der vorgesehenen Zeit serviert wurden (ich musste mich sehr früh mit Flor treffen), überzeugte mich der im Vergleich zu Huancayo verdreifachte Preis wenig. Was ich in Bolivien kaufen kann, bekomme ich hier zur gleichen Zahl angeboten, obwohl ein Soles zu 2,5 Bolivianos gewechselt wird. Der warme Wasserschwall tat jedoch sehr gut. Ich endschied mich Richtung Norden zu laufen und durchstreifte auf meinem Weg verschiedenste Stadtbezirke.
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Schuputzerstand |
Ahnungslos lief ich sogar durch la victoria, was im Reiseführer (den muss Mensch dazu natürlich besitzen) als für Touristen nicht betretbaren Landfleck ausgeschrieben wird. Endlich bekannte Bilder: kaputte Häuser, die halb fertig gebaut wurden, Obdachlose und vor Schweiß triefende Arbeiter. Als einziger Weißer viel ich natürlich auf. Diese starke Aufmerksamkeit wurde mir jedoch irgendwann so unwohl - Lima gilt schließlich als gefährliche Stadt-, dass ich mit einem Taxi davonbrauste. Auch wenn ich nicht wirklich viel dabei hatte, wollte ich es vermeiden, erneut ausgeraubt zu werden. Schokolade essen bereitet mir mehr Freude. Mir war dabei egal, dass mich der Taxifahrer rücksichtslos übers Ohr haute. Meine Müdigkeit vom vielen Laufen wies mich an, in Bezirke zu gehen, in denen ich wesentlich ruhiger daher laufen konnte. Im historischen Stadtviertel fand ich alte Gebäude, die mich an die Museumsinsel in Berlin erinnerten.
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barrio historico |
Wie sind die überhaupt hierher gekommen? Das gehörte für mich bis dato alles eher nach Europa. In meiner kleinen Pause vorm Palast sprachen mich vier verschiedene Menschen an, die mit mir entweder zu einer Reggeafete oder ein Bier trinken gehen wollten. Auf meine höfliche Ablehnung kamen sie zum Punkt und boten mir Drogen zu angeblich günstig Preisen an. Sicherheitspersonal wies mich sogar darauf hin, dass ich mich von solchen Menschen fernhalten soll. Lustig war, dass mich der Mann auf Englisch fragte, welche sprachen ich spreche. Ich antwortete ihm auf Spanisch, dass es am besten wäre, wenn er mit mir auf Spanisch redet. Den Hinweis hörte ich mir dann aber trotzdem auf der Weltsprache an. Der permanent hiesige und stets betreute Wasserwerfer und Maschinenpistolenwagen bewachten diese trächtigen Gebäude. Ein kleines Stück ging ich wieder zurück gen Süden und fuhr mit dem Bus zurück zu meiner Unterkunft. Die zwölf Stunden zu Fuß merkte ich sehr, als ich mir meine Suppe kochte.
Am nächsten Morgen wartete ich im Busunternehmen auf Flors Ankunft. Leider kam sie nie an, weswegen ich das nächste Internetcafé aufsuchte und sie mir am Telefon sagte, dass sie auch im Warteraum von denen sitzt. Bei dieser Gelegenheit fand ich heraus, dass mich der Taxifahrer auf der Hinfahrt abgezogen hat. Er brachte mich einem Preis, der mich zu dem zweiten Büro des Reiseunternehmens bringen sollte, zu dem, welches um die Ecke lag. Deswegen dachte ich natürlich, dass es nur dieses gab. Schleunigst fuhr ich mit dem Bus zu Flor.
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mercado en Huacho |
Huacho ist eine kleine Stadt am Meer, die nur zwei Stunden von Lima gen Norden entfernt liegt. Diese kleine süße ausgetrocknete Stadt wird durch diese Meeresbriese angenehm belebt. Wir suchten mir ein Bett zu günstige Konditionen im Zentrum und fuhren dann zu ihrer Tante. Nach unserem kleinen Ausflug zum Strand genossen wir kühle Biere in den Bars der Stadt, welche in Deutschland höchstwahrscheinlich als Dreckloch geschlossen werden. Im oberen Stockwerk wurden die Holzplatten schwarz angemalt und durch das einfallende Licht der Straßenlaternen beleuchtet. Ich weis nicht, wer da noch mit mir ein leckeres cusqueña genoss.
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Cebiche |
Am nächsten Tag aßen wir die nächste peruanische Spezialität: Ceviche. Dies ist ein Teller mit verschiedenen rohen Fischsorrten und einer nährreichen Fischsuppe. Die Meeresbewohner werden nur Sekunden in kochendes Wasser und danach in Limone getaucht, was dem Essen den erfrischenden Charakter verleiht. Mit ihrer Cousine fuhren wir zu einem etwas abgelegenen Strand, an dem Fischer zwischen den Felsspitzen und aufspritzenden Wellen ihre Angelesene auswerfen und auf Fang warten. Sie erzählten mir, dass es ganz in der Nähe einen Strand Namens acapulco gäbe, der nur aus Steinen besteht.
Angetrieben von meinem Kindheitswitz: „ Wo liegt das denn? Na hinter Acapulco!“ wollte ich unbedingt dort hin. Auf dem Weg lernte ich erneut, was den Unterschied von einer Kleinstadt zu dieser anonymen Metropole Berlin ausmacht. Die Cousine unterhielt sich die ganze Fahrt über mit dem Taxifahrer, war schließlich ein Kumpel und später mit der Verkäuferin aus einem kleinen Laden. Ich hatte jedoch Schwierigkeiten diesen Unterhaltungen zu folgen, ich fühlte mich wie in meinen ersten Tagen in Bolivien, da die Küstenbewohner das S verschlucken und wesentlich schneller sprechen. Acapulco zog mich eine ganze Weile in seinen Bann, da mich das durch die Wellen aufeinander prasselnden Steine Geräusch Prasseln verzauberte.
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acapulco |
Von dort liefen wir zu einem anderen Familienteil Flors, die jeden Tag ihre Ziegen auf noch nicht ausgetrocknete Weiden treiben. Diese wirklich netten und gesprächigen Leute boten mir in ihrer Hütte Milchreis aus Ziegenmilch an. Nach Dunkelheitseinbruch fährt hier jedoch nichts mehr motorisiert weg, weswegen wir einen langen Fußmarsch durch Felder antraten und eine Tante zu ihrem Haus zu der Nachbarstadt Huachos begleiteten. Schon den ganzen Tag über freute sich die Cousine auf den Besuch ihres Freundes und Vater ihres gemeinsamen Kindes aus Lima. Dieser mir wirklich suspekt vorkommende Neureiche einundzwanzig Jährige Bursche Telefonierte oder versuchte es zumindest die ganze Zeit, genauso wie er nicht auf einem Fleck stehen bleiben konnte. Sein Bruder tat es ihm gleich. Bei ihm zu Hause schenkte er mir unverständlicherweise eine Kette sowie zwei T-Shirts. Aus Höflichkeit konnte ich diese leider nicht ablehnen, denn meinem Geschmack entsprachen sie nicht. Flor erklärte mir, dass dies ein Zeichen für Gastfreundschaft sei. Aus meiner Brille heraus auch eines für Wohlstand. Zum Glück suchten wir früh unsere Domizile auf und entronnen somit dem unangenehmen Abend.
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Ziegenfarm |
Erneut stand mir eine dreitägige Rückreise an, die deswegen aber nicht langweilig wurde. Nach Lima unterhielt ich mich mit einem netten Geschäftsmann und verabschiedete mich aus der luftverschmutzten und für mich nicht in das Bild von Lateinamerika passende Metropole Lima. In Moquegua genoss ich in aller Ruhe direkt zwei refrescos zum Frühstück, bevor es nach Bolivien weiter ging. Dies musste ich jedoch im nächsten Bus bitter bezahlen. Ich wurde vor Schmerzen aus meinem gemütlichen Schlaf gerissen, in denen mich zuvor die zahlreichen Serpentinen gewogen hatten. Meine Blase platzte förmlich vor dem wirklich leckeren Getränk. Doch einen Liter vor einer achtstündigen Busfahrt binnen kürzester Zeit hinunter zu kippen zählt nicht zu der Liste weiser Taten. Gerade so schaffte ich es durch mentale Kräfte mich erneut in den Schlaf zu reden. Doch es half nichts, die Pinkelpause war bei weitem noch nicht in Sicht, ich musste mir also anders zu helfen wissen. Ich erinnerte mich an eine peinliche Geschichte einer anderen Freiwilligen, die ihren Durchfall in einer Tüte abladen musste, was bei der Entsorgen dieser furchtbar schief ging. Doch dies erschien mir als einzig möglich. Zum Glück saß ich alleine in meinem Doppelsitz, weswegen ich die Plastikhülle in meiner Hose installieren konnte und nach langem Zögern den Blasendruck darin auslassen konnte. Bei dem überfälligen Zwischenhalt sprang ich förmlich über die Köpfe der anderen Passagiere hinweg, um zum nächsten Baum zu gelangen. In der Prärie stehen diese jedoch selten rum, war mir aber egal. Erleichtert konnte ich mir auf der Fahrt nach La Paz das Volksfest in Mitten des Nirgendwo beim Vorbeifahren anschauen. Viele Menschen sind mit trufis und ihrer traditionellen Kluft aufgelaufen und schauten den Tanzpaaren zu oder tranken abseits ihr Bier in einer kleinen Runde.
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fiesta boliviana |
Zurück in Cochabamba führ ich mit den wahrscheinlich ersten morgendlichen trufis zu mir nach Hause und genoss bei einem Kaffee, wie die Stadt langsam den Morgentau durchstoß und ihre Arme gähnend reckte.